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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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mußte.
    »Hoffentlich ist der Verkehr nicht zu arg«, sagte er, als er Katie zum Abschied auf der Veranda umarmte. »Morgen abend komme ich wieder und bleibe übers Wochenende.«
    »Könntest du nicht …?« Katie fühlte sich seltsam alleingelassen.
    »Ob ich was könnte?«
    »Ach, egal.«
    »Nein, sag schon.«
    Sie sah weg. »Könntest du nächste Woche ein paar Tage bleiben?«
    »Ach so.« Er lächelte. »Der Zweiundzwanzigste.«
    »Sommersonnenwende«, sagte Aggie Jensen, die mitgehört hatte. »Habt ihr beiden da etwas vor? Mauslocher glaubt ja, die ganze Welt verwandle sich an diesem Tag. Hier in dieser Gegend war das immer ein großes Fest, wißt ihr noch?«
    »Ja, ich weiß, Aggie«, sagte Katie leise errötend. »Nein, wir haben nichts vor.«
    David lächelte wie ein Verschwörer und wollte zum Wagen gehen. »Keine Angst. Ich komme zur Mittsommernacht«, versprach er. »Es ist nur so, daß ich erst seit kurzer Zeit meinen Job habe. Ich kann mir nicht schon Urlaub nehmen.«
    »Ach, ich verstehe. Aber es war nicht nur wegen des Zweiundzwanzigsten, es war …« Sie ließ es unausgesprochen.
    »Na?«
    »Es ist nur … Mir gefällt es gar nicht, wie es hier steht. Natürlich war Papa nie sehr redselig …«
    »Er redet zu viel, wenn du mich fragst.«
    »… und er hat mir noch immer nicht gesagt, wie es passierte – ich meine, es muß doch … körperliche Anzeichen oder dergleichen gegeben haben. Ich glaube, Aggie ahnt etwas.«
    »Sie ist sicher eine lebenskluge Person. Ich würde sie mir sofort als Geschworene wünschen. Sprich dich mit ihr aus. Mit ihrem gesunden Menschenverstand ist sie geeigneter als dein Alter mit seinen geheimnisvollen Andeutungen.«
    »Bitte, nenne ihn nicht meinen Alten, ja? Ich kenne deine Gefühle, aber ich liebe euch beide.«
    »Hoffentlich auf andere Weise?« sagte David und zog sie an sich. Er wollte ihr eben einen Kuß geben, als die Tür des Maschinenschuppens zukrachte und Ben Jasper in die Dämmerung heraustrat und herüberkam.
    Ein wenig verlegen ging das junge Paar auf Abstand.
    Vor ihnen blieb er stehen und musterte David unverhohlen. »Sie sind jetzt Anwalt?«
    »Ja, das bin ich«, sagte David. Das dichte braune Haar fiel ihm in die Stirn, er hielt angriffslustig das Kinn hoch. Er war nicht so groß wie Ben, aber jung und gut gewachsen.
    »Ach, Papa …«, setzte Katie an.
    Ben und David starrten einander an.
    »Am besten, Sie machen sich auf den Weg«, sagte Ben schließlich. »Es ist weit bis Minneapolis.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Sie sind aus diesem erbärmlichen Nest nie hinausgekommen?«
    Zunächst sah es aus, als wolle Ben die Fassung verlieren, aber er beherrschte sich. »Schon gut«, murmelte er. Das war äußerste Zurückhaltung seinerseits.
    David atmete auf und gab Katie einen langen Kuß. Ben drehte sich halb um und sah weg.
    Vater und Tochter sahen gemeinsam dem roten Wagen nach, der in der Dämmerung verschwand. Dann gingen sie schweigend zum Haus. Der Vater hatte fast verlegen einen Arm um die Taille seiner Tochter gelegt.
    Aggie schleppte das Abendessen aus der Sommerküche an:
    Steaks, gekochte Rübchen, hausgemachtes Brot und grünen Salat.
    »Möchte bloß wissen, wieso Sie den Gasherd hier drinnen nicht benutzen«, sagte sie zu Ben. »In der Sommerküche steht nur alter Kram, und der alte Herd hat nur zwei Feuerstellen. Außerdem ist das Wetter ohnehin noch nicht so heiß.«
    Ben sah sie unfreundlich an. »Ich will es so«, mehr sagte er nicht.
    Viele der Farmhäuser oben im Norden haben diesen zusätzlichen Anbau am Haupthaus, die »Sommerküche«. Früher wurde nur auf Herden mit Holzfeuerung gekocht und damit unglaubliche Hitze erzeugt. Das war wunderbar im Winter, aber die Sommer konnten hier sehr heiß werden. In einer Sommerküche wurde die Kocherei erledigt, ohne die Temperatur im Haus selbst unerträglich zu steigern. In der alten Sommerküche stand doch tatsächlich noch ein alter Holzherd, einsatzbereit und mit einem großen schwarzen Ofenrohr versehen, das sich die Decke zum seitlichen am Haus angebrachten Kamin entlangschlängelte. Daneben gab es noch den Gasherd, auf dem Aggie gekocht hatte. Ansonsten nur alten Kram, wie sie gesagt hatte.
    »Außerdem ist es kein Kram«, sagte Ben. »Diese Dinge können noch sehr nützlich werden.«
    »Wann denn?« spottete Aggie. »Etwa 1910?«
    Was für Dinge? Alte Buttermaschinen, eine Eismaschine, Flacheisen, Kessel, Feuerzangen, alte Töpfe, Steinkrüge, Öllampen. Und ein großes schwarzes
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