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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
Autoren: Amanda Howells
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der Taschenlampe. Wasser. Mehr Wasser. Sonst nichts.
    Es rauschte laut in meinen Ohren, pochendes Blut, Adrenalin, gemischt mit dem Rauschen des Wassers. Ich konnte nicht klar denken. Panik nagelte mich am Boden fest. Nur der Strahl meiner Taschenlampe bewegte sich, hektisch von links nach rechts, auf und ab, suchend.
    Da! Etwas Dunkles, Rundes, ein Stück blasse Haut, als Simon auftauchte. Erleichterung, so warm wie Blut, riss mich aus meiner Erstarrung. Die Wellen ließen für kurze Zeit nach und ich sah, wie sich das Wasser bedrohlich wirbelnd in einer dunklen Strömung hinaus ins offene Meer schlängelte. Aber ich konnte Simon sehen, und er sah mich.
    »Hilfe!«, rief er erneut heiser. Sein Gesicht hob sich weiß vor dem schwarzen Wasser ab.
    Ich konnte wieder denken, und ein Wort hämmerte durch meinen Kopf: Riptide. Reißende Strömungen, die einen unter Wasser zogen.
    »Da lang!«, rief ich und zeigte nach rechts. »Schwimm zur Seite!« Ich wusste, dass Simon aus der Strömung hinausgelangen und parallel zum Strand schwimmen musste. Das war mir bei jedem Strandurlaub meines Lebens wiederholt eingebläut worden. »Schwimm quer!«, schrie ich.
    Doch er hörte mich nicht. Oder die Panik hatte ihn zu fest im Griff. Ich sah, wie er sich vorwärts kämpfte. Seine Schultern tauchten aus dem Wasser auf, den Kopf hielt er gesenkt, und ein Strudel weißer Gischt umgab ihn, als er gegen die Gewalt der Strömung ankämpfte.
    Nicht kämpfen! , wollte ich schreien, aber ich brachte die Worte nicht heraus. Ich wusste, es war Wahnsinn, mir einzubilden, ich könne Simon helfen, hier draußen am Strand im dunklen Regen. Ich konnte nicht gegen den Ozean anschreien, der ihn mit aller Kraft hinauszog. Ich schaffte es kaum, den Lichtstrahl auf ihn gerichtet zu halten. Meine Hand zitterte wie Espenlaub. Die Lampe war kräftig, aber in diesem Wetter war der Strahl dünn und schwach. Gegen die Finsternis der See kam ich nicht an.
    Eine lange, furchtbare Sekunde schien sich zu krümmen, zu recken, sich nach vorne und hinten auszudehnen und dann um sich selbst zu schlingen, als ich hinaus aufs Wasser starrte, auf die rudernde Gestalt, die sich vorankämpfte, die Arme nach vorn gestreckt, auf die Oberfläche schlagend. Vielleicht hatte er das Gefühl, voranzukommen, doch von meinem Standpunkt aus wirkte es, als bewege er sich nicht von der Stelle, festgenagelt wie der Augenblick selbst. Wie ich. Reglos.
    Eine Woge kam heran und hob Simon hoch. Dann war er verschwunden.
    Der Strahl meiner Taschenlampe huschte wild hin und her, verzweifelt hielt ich Ausschau. Ich hatte ihn verloren. Ich leuchtete weiter hinaus, ließ den Strahl umherkreisen, immer um dieselbe Stelle – doch war es überhaupt die richtige? Da war nur der Ozean, der endlose, dunkle Ozean, und dann beherrschte mich nur noch mein Herz, bumm, bumm, bumm, schlug es schmerzhaft gegen meine Brust.
    »Simon!«, schrie ich. Meine Stimme klang fremd, als gehöre sie jemand anderem. Keine Antwort. Nicht mal ein Echo.
    Atme. Ich kniff die Augen zusammen. Ich musste das weiße Rauschen um mich übertönen, die brausende Macht des Wassers. Ich erteilte mir strenge Befehle. Ich konnte ihn retten. Aber ich musste mich konzentrieren. Wach auf! Beeil dich! Renn los! Bewegung! Noch war Zeit.
    Ich rannte.
    Meine Füße bewegten sich im selben Rhythmus wie mein Herz. Ich eilte, ja flog fast über den Sand. Ich spürte jede Faser meines Körpers. Und ich war schnell, aber nicht schnell genug. Schneller! Ich zwang alle Energie in meine Oberschenkel, meine nackten Füße hämmerten auf den Sand. Schneller!
    Ich näherte mich Simons Haus, aber ich wusste, dort hatte es keinen Sinn, anzuhalten. Eine klare Stimme durchdrang meine Stumpfheit und erinnerte mich daran, dass Simons Vater nicht zu Hause war, dass er in die Stadt musste … Und seine Mutter … Ich sah ihr müdes Lächeln und ihre zarten, geäderten Hände vor mir. An sie konnte ich mich nicht wenden …
    Ich brauche Hilfe … brauche Hilfe … wiederholte ich wie ein Mantra, während ich auf Wind Song zusprintete. Ich rannte, bis ich keine Luft mehr bekam, ich stolperte und fing an zu weinen, und plötzlich dachte ich an Simons große Hände und an seine Nase. Seine perfekte, unperfekte Nase. Nicht anhalten … nicht weinen. Ich musste zu meinem Vater, meinem Onkel, jemandem, der helfen konnte.
    Hilfe … schnell … Hilfe … schnell … Die Worte bohrten sich durch mein Inneres, als meine Füße den Sand verließen und über
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