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Der Sommer auf Usedom

Der Sommer auf Usedom

Titel: Der Sommer auf Usedom
Autoren: Lena Johannson
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Himmel. Nein, Gabi sah diese Sache völlig pragmatisch. Romantik war noch nie ihre Sache gewesen, obwohl Jasmin fand, die Liebesgeschichte zwischen Gabi und Thorsten war die romantischste gewesen, die sie kannte.
    Die Kellnerin brachte das Essen.
    »Genau im richtigen Moment«, stellte Gabi fest und warf Jasmin einen Blick zu, der zu sagen schien: Themawechsel, und zwar sofort!
    Also beließ Jasmin es dabei. Sie tauschten ein paar Belanglosigkeiten aus und aßen ein paar Minuten schweigend. Dann forderte Gabi sie auf, genauer von ihrem Projekt zu erzählen.
    »Du willst Sitten und Gebräuche malen? Habe ich das richtig verstanden?«
    »So ungefähr, ja.«
    »Wie passt ONH da hinein?«
    »Gar nicht«, gab sie zu und lachte. »Du weißt doch, wie gerne ich Ateliers besichtige. Das war nur für mich sozusagen. Aberwer weiß, vielleicht erweitere ich meinen Bilderzyklus um berühmte Persönlichkeiten der Insel.«
    »Klingt nicht schlecht. Und nächstes Jahr kommst du wieder und stellst hier aus. Ich könnte mir vorstellen, dass die Urlauber reges Interesse hätten.«
    »Die Einheimischen nicht?«
    Gabi wiegte nachdenklich den Kopf. »Doch, einige bestimmt. Aber es ist so eine Sache mit Projekten, die jemand vom Festland über Usedom macht. Das wird von vielen kritisch gesehen.« Sie nahm einen Schluck Sanddornschorle. »Außerdem ist es für sie nichts Besonderes. Ständig entstehen neue Kunstwerke, die im Zusammenhang mit ihrer Insel stehen. Das gucken sie sich nicht alles an.« Sie zuckte die Schultern.
    »Morgen will ich mich auf Störtebekers Spuren heften«, verriet Jasmin.
    »Ach du meine Güte«, sagte Gabi seufzend. »Du glaubst doch nicht etwa, du findest den berühmten Schatz, der in geheimen Gängen nahe der Störtebeker-Kuhle vergraben sein soll?«
    »Quatsch«, gab sie ein wenig gekränkt zurück. »Ich bin Künstlerin, ich suche Motive und keine verbuddelten Schätze.«
    »Auch damit wirst du nicht viel Glück haben, fürchte ich. Es sei denn, du kannst einem Stück Brachland zwischen Landesstraße und Hotelklötzen eine besondere Ästhetik abgewinnen.« Gabi rollte mit den Augen. »Aber guck es dir ruhig an. Ist ja nicht weit von hier. Du kannst einen schönen Spaziergang über die Strandpromenade machen und musst irgendwann rechts abbiegen. Ich glaube in den Neuen Weg oder Eichenweg. Ich weiß nicht genau.«
    »Ich habe schon gelesen, dass es da nur noch ein kleines Wäldchen und ein paar Garagen gibt. Deshalb interessiert mich auch viel mehr der Streckelsberg.« Sie hatte sich gut vorbereitet.
    Gabi beeindruckte das wenig. »Da gibt’s auch nur einen Haufen Bäume«, meinte sie gelangweilt. Dann überlegte sie es sich anscheinend anders. »Nein, stimmt nicht. Es gibt auch noch den Blick runter auf den Strand und die Seebrücke von Koserow. Dasist wirklich schön. Und auch der Wanderweg hinauf von Koserow aus lohnt sich.« Sie dachte nach. »Ein bisschen steil vielleicht, aber es ist der direkte Weg.« Sie wischte sich den Mund ab und legte ihre Serviette auf den Teller. »Ja, das solltest du wirklich machen. Wird bestimmt ein schöner Ausflug. Wenn du Glück hast, kannst du im Westen Mönchgut und im Osten den Leuchtturm von Swinemünde sehen.«
    »Wirklich, so weit kann man gucken?«
    »Bei guter Sicht schon.«

Störtebeker

    Es war so schön, wie Gabi es versprochen hatte. Jasmin hatte sich viel Zeit für den steilen Aufstieg auf den Streckselsberg gelassen. Immerhin war die gesamte Gegend der Sage nach das Revier des berühmten Freibeuters gewesen. Vielleicht sah die Rinde eines Baumes am Wegesrand aus wie ein Totenkopf. Oder sie entdeckte eine kleine Wasserstelle, die glitzerte wie ein Edelsteinschatz. Irgendetwas ließe sich schon finden, das, auf Leinwand gebannt, eine Piratengeschichte erzählen würde, dessen war sie ganz sicher. Eigentlich hatte sie mit dem Rad fahren wollen, wie Gabi es ihr vorgeschlagen hatte, doch mit der Staffelei war das ziemlich unpraktisch. Und sie hatte sich nun einmal entschieden, sie dieses Mal mitzunehmen, um an Ort und Stelle malen zu können. So musste sich der alte Otto gefühlt haben, dachte sie, der jeden Tag von Lüttenort an den Strand oder zum Ufer des Achterwassers gezogen war. Allerdings dürfte er weniger geschwitzt und geschnauft haben, denn er hatte es nicht mit einer der höchsten Erhebungen der Insel zu tun gehabt. Sie versuchte sich zu erinnern, wie hoch dieser Hügel war. Sechzig Meter? Nein, unmöglich, wohl eher hundertsechzig Meter, das erschien
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