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Der Sommer auf Usedom

Der Sommer auf Usedom

Titel: Der Sommer auf Usedom
Autoren: Lena Johannson
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Ausnahmen«, gab Jasmin zurück und warf ihr einen tiefen Blick zu.
    »Hast du ihn schon entdeckt?«
    »Nein, bis jetzt noch nicht.« Jasmin sah sich die ganze Zeit aufgeregt um. Sie war komplett durcheinander und wusste nicht, was sie hoffen oder fürchten sollte. Da erkannte sie ein bekanntes Gesicht in der Menge. »Aber da ist Monsieur Fromage.« Sie sah den Käse-Profi ganz vorne in der Schlange stehen. Er wirktein sich gekehrt, stand zwischen einem Pärchen, das sich ganz besonders in Schale geworfen hatte, und zwei dünnen Frauen mit streichholzkurzem grauem Haar, die in ein Fachgespräch vertieft zu sein schienen. Doch er bekam offenbar nichts von dem mit, was um ihn herum vor sich ging.
    »Tatsächlich, das ist er. Und er scheint ganz alleine zu sein.«
    »Vielleicht kommt seine Gattin später und lässt ihn schon mal Eintrittskarten besorgen«, überlegte Jasmin laut. In dem Moment sah er plötzlich auf und schaute genau in ihre Richtung. Als er Gabi erkannte, begann sein Gesicht zu leuchten. In einer Sekunde hatte er die Situation erfasst und winkte die beiden Frauen heran.
    »Da sind Sie ja endlich«, rief er übertrieben laut. Und leiser fügte er hinzu, als sie bei ihm angekommen waren: »Bleiben Sie bloß hier, dann kriegen Sie mit Sicherheit noch Eintrittskarten. Wenn Sie da hinten stehen, könnte es knapp werden.« Nach einer Pause sagte er: »Wie nett, Sie zu sehen!« Dabei blickte er ausschließlich Gabi an.
    »Ja, das ist eine angenehme Überraschung.« Gabi wirkte ein wenig unsicher, was für sie vollkommen untypisch war. Sie fuhr sich nervös durch das Haar. »Sind Sie gut nach Hause gekommen neulich?«
    »Ich hatte leichte Kopfschmerzen, aber davon abgesehen war alles in Ordnung. Mehr als das«, fügte er hinzu und himmelte Gabi an. »Ihre Frau ist nicht mitgekommen?«, fragte die.
    »Nein, sie fühlte sich nicht.« Die Falten auf seiner Stirn glätteten sich allmählich und ein sanftes Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Das mag mit meiner Ankündigung zu tun haben, dass ich mich von ihr trennen werde«, sagte er ruhig.
    Jasmin sah einen Glanz in Gabis Augen, der eben noch nicht da gewesen war. Zum ersten Mal an diesem verkorksten Tag empfand sie pure Freude. Mit einem Ohr verfolgte sie das Gespräch der beiden, das eine Gratwanderung zwischen intimer Unterhaltung und distanzierter Konversation war. Natürlich, die zwei wollten nicht in der Öffentlichkeit seine Eheprobleme ausbreiten. Gleichzeitig war deutlich zu spüren, dass sie sehr wohldarüber reden wollten und auch gut miteinander reden konnten. Raffiniert beiläufig erwähnte Gabi ihre eigenen Ehe-Erfahrungen und ließ ihn damit gleichzeitig wissen, dass sie dem männlichen Geschlecht gegenüber gar nicht so abgeneigt sein dürfte, wie immer alle behaupteten. Kein Zweifel, ihre Freundin interessierte sich wieder für einen Mann. Unter anderen Umständen hätte Jasmin sich wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt, doch in diesem Fall überwog die Freude über diese Erkenntnis. Außerdem war sie ohnehin nicht ganz bei der Sache, weil sie ständig nach André Ausschau hielt. Sie wollte um keinen Preis sein Eintreffen verpassen und von ihm entdeckt werden, bevor sie ihn gesehen hatte.
    Endlich ging es hinein.
    »Ist er nun da oder nicht?«, raunte Gabi ihr zu.
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Dann kannst du dich entspannen. Wer keinen guten Platz in der Reihe hatte, der kriegt auch keine Karte mehr.«
    »Es sei denn, er hat Kontakte und konnte eine Karte reservieren«, gab Jasmin zu bedenken.
    »Dann müsste er schon einen engen Draht zum Bürgermeister oder zum Vorsitzenden des Usedomer Kunstvereins haben.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ich glaube, du kannst dich entspannen.«
    An Entspannung war nicht zu denken. Jasmin hörte kaum die Reden des Bürgermeisters, des Vereinsvorsitzenden und auch nicht die der Dame, die den Kunstliebhaber vertrat, dem die Ausstellung zu verdanken war. Der generöse Mann selber war nicht anwesend. Er wollte anonym bleiben und würde den Kunstpavillon irgendwann inkognito besuchen, wenn niemand damit rechnete, hieß es. Unruhig rutschte Jasmin auf ihrem Stuhl hin und her. Mit einem Mal hörte sie hinter sich etwas. Gut möglich, dass sich nur jemand wie sie auf seinem Stuhl bewegt hatte, aber sie wurde das Gefühl nicht los, als sei noch jemand dazugekommen. Ein Spätankömmling, ging es ihr durch denKopf. Ihr Nackenhaar stellte sich auf, ihre Ohren schienen sich zum Eingang, der schräg hinter
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