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Der Sommer auf Usedom

Der Sommer auf Usedom

Titel: Der Sommer auf Usedom
Autoren: Lena Johannson
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die von alten Laken versteckt wurden«, erklärte Jasmin eifrig. »Wir können es Ihnen natürlich nicht garantieren, weil wir nicht in dem Schuppen drin waren, aber es sah sehr danach aus. Ein ganz typischer Anblick. Sieht man in beinahe jedem Atelier. Was sollte es sonst gewesen sein?«
    Ein triumphierendes Funkeln trat in die Augen der Ordnungshüterin. »Aufsteller, die für Wahlplakate gebraucht werden.« Sie sah wiederum zufrieden von einer zur anderen. »Preistafeln für den Verkauf von Fisch. Hinweisschilder. Es gibt eine Menge Möglichkeiten.«
    »Und die Skulpturen sind Hering und Flunder aus Pappmaché für den Wochenmarkt, oder wie?« Gabi gab sich keine Mühe, ihren Unmut zu verbergen.
    Die Polizeibeamtin stieß mit dem Finger in die Luft. »Ein guter Gedanke. Ja, das wäre durchaus plausibel.«
    »Und was heißt das jetzt?«, schaltete Jasmin sich wieder ein. »Sehen Sie sich das einmal an oder nicht?«
    »Das lassen Sie mal schön unsere Sorge sein. Sie haben gesagt, was Sie zu sagen hatten. Wir bedanken uns dafür. Den Rest überlassen Sie am besten uns.«
    »Moment mal …« Gabi war mit ihrer Geduld am Ende.
    »Da wäre noch etwas«, kam Jasmin ihr zuvor. »Wir haben noch nicht alles gesagt.« Sie spürte den fragenden Blick ihrer Freundin und sah, dass das uniformierte Nagetier schon wieder die Augen zusammenkniff. »Mir ist ein Mann aufgefallen«, begann sie zögernd. Es war scheußlich von ihr, André ins Spiel zu bringen, doch sie konnte nicht anders. »Er ist in dem Atelier in Bansin gewesen, das diese Skulptur von Moroni erwartet, und er hat solche Andeutungen gemacht, als ob er mir Kunstobjekte besorgen könnte.«
    »Haben Sie einen Namen oder eine Adresse von diesem Mann?«, fragte die Polizistin, nachdem Jasmin sich so ziemlich alles von der Seele geredet hatte.
    »Nein.« Sie warf Gabi einen schnellen Seitenblick zu, der der Beamtin nicht entging. Gabi ließ sich jedoch nichts anmerken.
    »Aber Sie müssen doch etwas haben. Wie hätten Sie Kontakt zu ihm aufnehmen sollen, wenn Sie gestohlene Objekte von ihm hätten kaufen wollen?«
    »Ich habe gesagt, er hat Andeutungen gemacht. Kann sein, dass ich ihn zu Unrecht verdächtige.« Jasmin hatte das dringende Bedürfnis, André, den sie eben noch ans Messer geliefert hatte, nun in Schutz zu nehmen. »Jedenfalls ist er nicht so weit gegangen, dass er mir Informationen über sich gegeben hätte.«
    »Können Sie wenigstens eine Personenbeschreibung abgeben?«
    Jasmin biss sich auf die Lippe. Sie könnte sogar ein Porträt liefern, ein Phantombild quasi, doch das würde sie nicht tun. Stattdessen beschrieb sie ihn, ungenau zunächst, dann jedoch immer präziser. Je länger sie an ihn dachte, desto deutlicher hatte sie sein Gesicht vor Augen mit den Grübchen und dem offenen Blick, seine attraktive Figur, seine Art zu gehen, sich zu bewegen. Sie geriet immer mehr ins Schwärmen und vergaß völlig, wem sie hier eine Beschreibung lieferte. Plötzlich spürte sie einen dumpfen Schlag gegen ihren Oberschenkel und verstummte abrupt. Gabi hatte ihr unter dem Tisch einen Klaps versetzt und sie damit aus ihren Träumen in die Realität zurückgeholt.
    »Sonst noch etwas?«, hakte das Nagetier nach. Ihre Miene zeigte eine seltsame Mischung aus Belustigung und Erkennen.
    »Nein, das ist alles«, gab Jasmin kleinlaut zurück.
    »Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen.« Die Polizistin verschränkte hinter ihrem Schreibtisch die Arme und drückte ihr Kreuz durch. »Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir es mit einem alten Bekannten zu tun.«
    »Was?« Jasmin und Gabi starrten sie an.
    Die Beamtin lehnte sich vor und nahm einen Kugelschreiber zur Hand. »Können wir Sie irgendwie erreichen, falls wir noch Fragen haben?«
    Jasmin nannte ihr sowohl Gabis Anschrift und Telefonnummer als auch die Nummer ihres Mobil-Anschlusses. Damit war das Gespräch beendet.
    Die beiden Frauen schlenderten die Strandpromenade entlang, vorbei an der berühmten Villa Oppenheim, in der der Maler Lyonel Feininger, den Jasmin sehr bewunderte, einige Zeit gewohnt hatte. Auch an den anderen Villen der Bäderarchitektur mit ihren Zuckerbäckerveranden und an der Büste von Kaiser Wilhelm, der Usedom einst die Ehre und den Seebädern damit gleich den Namen Kaiserbäder gegeben hatte, spazierten sie vorbei. Sie waren beide ungewöhnlich schweigsam. Worüber hätten sie auch sprechen sollen? Es war schon alles gesagt. Seit ihrem Besuch bei der Polizei hatten sie unaufhörlich
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