Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer auf Usedom

Der Sommer auf Usedom

Titel: Der Sommer auf Usedom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
Irgendetwas verheimlichte er ihr. Entweder hatte er Frau und Kinder, war abgrundtief schüchtern, oder er hatte doch etwas mit den Kunstdiebstählen zu tun. Jedenfalls war er nicht ehrlich, und das tat weh.
    »Dann habe ich mich wohl geirrt«, beendete sie das Thema. »Du sagtest, du hast etwas zu erledigen. Ich will dich nicht aufhalten.« Sie gab sich keine Mühe, länger freundlich zu sein. Sollte er ruhig merken, dass seine merkwürdige Heimlichtuerei bei ihr nicht gut ankam. Sie öffnete zum zweiten Mal ihre Autotür. »Schönen Tag noch.«
    Er zögerte, ganz kurz nur. »Danke, dir auch«, sagte er.
    Jasmin ließ sich auf den Sitz fallen und schlug die Tür zu. Sielegte den Rückwärtsgang ein, den sie nicht erwischte. Es gab ein hässliches kratzendes Geräusch. Wahrscheinlich sah André ihr zu, sie konnte seinen Blick förmlich spüren und sich sein spöttisches Lächeln vorstellen. Nein, sie würde ihn nicht ansehen. Stur blickte sie auf das Armaturenbrett. Erst nachdem sie den Wagen gewendet und den Parkplatz verlassen hatte, wagte sie es, in den Rückspiegel zu sehen. André war weg. Anscheinend hatte er es ziemlich eilig gehabt, sich ebenfalls auf den Weg zu machen.
    Wie ferngesteuert bog Jasmin nach Mellenthin ab und besuchte die Vineta-Ausstellung. Während sie von einer Glasvitrine zur anderen lief, fragte sie sich, was sie dort wollte. Der Schmuck war sicher kostbar und verriet ebenso viel Geschick wie Kunstfertigkeit des Goldschmieds, trotzdem konnte er sie nicht in seinen Bann ziehen. Sie konnte mit Kettenanhängern, Ringen und Broschen nun einmal nichts anfangen. Obendrein war die Ausstellung sehr übersichtlich, so dass sie nach zehn Minuten alles gesehen hatte. Jasmin hätte in den Wagen steigen und zur Polizei fahren können. Stattdessen suchte sie sich auf der Terrasse einen kleinen Tisch, den sie für sich ganz alleine hatte. André hatte nicht übertrieben, die Anlage war wirklich sehr hübsch. Eigentlich handelte es sich eher um einen Vorplatz als um eine Terrasse. Bestimmt waren hier einmal die Kutschen vorgefahren, nachdem sie auf der mit Kopfsteinpflaster belegten Brücke den Schlossgraben überquert hatten. In der Mitte direkt vor dem Haupteingang blühten zartrosa Rosen und auch schon der erste Lavendel.
    Jasmin würde sich einen Eisbecher gönnen und in aller Ruhe überlegen, was zu tun sei. Ein Kind am Nachbartisch war damit beschäftigt, Wespen in einer leeren Apfelsaftflasche zu fangen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Mädchen gestochen wurde, dachte Jasmin. Dann beschloss sie, diesem Mädchen die Entscheidung zu überlassen, ob sie zur Polizei ging oder nicht. Käme sie ohne Stich davon, würde Jasmin melden, was sie inZecherin gesehen hatte. Bei einem Wespenstich würde sie Gabis Zorn riskieren und nicht zur Polizei gehen. Kaum hatte sie sich diesen Plan zurechtgelegt, verlangten die Eltern des Mädchens nach der Rechnung und brachen auf. Kein Wespenstich also, aber das Experiment war auch vorzeitig abgebrochen worden und konnte nicht gelten. Jasmin musste einen neuen Versuchsaufbau finden, der die Entscheidung bringen würde. Gerade kamen zwei Frauen auf den Platz und hielten nach einem Tisch Ausschau. Eine von ihnen war ausgesprochen korpulent, die andere eher schlank. Wenn die Beleibte sich einen Eisbecher bestellt oder ein Stück Sahnetorte, die andere nur ein Getränk, dann gehe ich zur Polizei, beschloss Jasmin.
    Während sie selber ihre Eiscreme löffelte, beobachtete sie die Frauen gespannt. Die gingen unentschlossen von einem Tisch zum anderen, suchten nach Schatten, diskutierten dann über die Stühle. Es hatte den Anschein, als suchten sie nach Sitzkissen, die es aber nicht gab. Schließlich ließen sie sich dicht bei einem Seitentrakt nieder und studierten die Karte. Jetzt wird es spannend, ging es Jasmin durch den Kopf. Die Kellnerin kam, wurde aber wieder weggeschickt. Entscheidungen zu treffen schien nicht zu den Stärken der beiden zu gehören. Nachdem sich die Kellnerin das zweite Mal unverrichteter Dinge hatte zurückziehen müssen, legten die Frauen kopfschüttelnd die Karten beiseite, sahen sich ein wenig hektisch um und verließen, so schnell es der Kräftigen möglich war, das Lokal. Wieder kein Ergebnis! Jasmin pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. Also schön, musste sie die Entscheidung eben selbst treffen. Das war in der Theorie leichter als in der Praxis. Sie winkte der Bedienung, holte ihr Portemonnaie hervor und suchte ein paar Münzen

Weitere Kostenlose Bücher