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Der Sokrates-Club

Der Sokrates-Club

Titel: Der Sokrates-Club
Autoren: Nathalie Weidenfeld , Julian Nida-Ruemelin
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hinweg kohärent zu gestalten. Dabei ist eine Art Meta-Kognition im Spiel, das heißt, Kinder wissen, dass ihnen das schwerfällt, sie legen daher Wert darauf, dass » jemand auf sie aufpasst«. Die Angst, die sie unter Umständen haben, sobald sie allein gelassen sind, sobald sie nicht mehr unter den oft unbequemen, Regel setzenden Instanzen von Schulen, Elternschaft, Älteren stehen, weist auf diese realistische Selbsteinschätzung hin. Die Strukturierung des eigenen Lebens fällt Kindern schwer. Konsistenz ist lediglich ein zentraler Aspekt von Kohärenz. Konsistenz ist die Eigenschaft einer Menge von Sätzen, logisch verträglich zu sein, das heißt, dass alle diese Sätze zugleich wahr sein können, vorausgesetzt, die empirischen, aus Erfahrung gewonnenen Bedingungen dafür sind gegeben.
    Das philosophische Gespräch mit Kindern kann die Entwicklung der Persönlichkeit fördern und zum Beispiel dazu beitragen, den kindlichen Animismus (der Wind ist böse) zu überwinden. Die Trennung von Beseeltem und Unbeseeltem, von Totem und Lebendigem, von Wesen mit Absichten und solchen, die keine Absichten verfolgen, ist für eine realistische Weltorientierung zentral.
    Philosophische Gespräche können dazu beitragen, den kindlichen Egozentrismus zu überwinden. Es ist insbesondere das Gespräch über moralische Fragen, das sich dafür eignet. Die Empathie-Fähigkeit von Kindern, die inzwischen auch von neurowissenschaftlicher Seite, wie etwa dem Verhaltensforscher Michael Tomasello, mit interessanten Befunden gestützt ist, schlägt die Brücke zwischen Ich und Du, und es ist Sache des philosophischen Gesprächs, dieses Du inklusiv bzw. inklusiver zu gestalten. Die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen, deren Gefühle zu teilen, sich vorzustellen, wie es ist, in der Situation des anderen zu sein, ist Grundlage für eine moralische Haltung des Respekts gegenüber anderen, für eine Praxis der Rücksichtnahme. Die philosophische Erkenntnis könnte darin bestehen, dass die Nähe oder Ferne, die Ähnlichkeit oder Andersartigkeit nicht das ausschlaggebende Kriterium dafür ist, ob wir Rücksicht nehmen sollten. Kinder sind durchaus schon in der Lage, universalistisch zu urteilen, also zum Beispiel ein Prinzip der Gleichbehandlung aller Menschen zu akzeptieren, auch wenn sich diese Urteile in der Lebenspraxis oft noch nicht durchsetzen können. Wir sollten Kindern etwas zutrauen, damit fordern wir sie und fördern ihre Persönlichkeitsentwicklung.

    Die Kinderphilosophie hat sich seit den 70er Jahren gut entwickelt. In den USA gründete der Philosoph Matthew Lipman 1974 das Institute for the Advancement of Philosophy for Children, das sich um die Ausarbeitung von Lehrplänen für Schulen und Vorschulen kümmerte. Ebenso hat sich der amerikanische Philosoph Gareth Matthews für die Praxis des Philosophierens mit Kindern eingesetzt. In Europa haben sich insbesondere seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts Akademien, Institute und Gesellschaften formiert, deren Ziel es war, die Kinderphilosophie bzw. das Philosophieren mit Kindern auszuüben und weiterzuentwickeln. Sicherlich spielt auch der große Erfolg von Jostein Gaarders Sofies Welt, aus dem Jahr 1991, eine gewisse Rolle für den Kinderphilosophie-Boom. Deutschland kann hier auf eine längere Tradition zurückblicken. Bereits in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts setzten sich Gelehrte wie der Reformpädagoge und Philosoph Herman Nohl oder der Philosoph Leonard Nelson für einen verstärkten Philosophieunterricht an den Schulen ein. In der heutigen Zeit haben sich vor allem Ekkehard Martens und Detlef Horster um die Kinderphilosophie in Deutschland verdient gemacht.
    Die Ansätze zur Kinderphilosophie und ihrer Methodik sind von jeher sehr unterschiedlich gewesen. Wenn man unter » Meta-Philosophie« die Philosophie der Philosophie versteht, dann prägen meta-philosophische Überzeugungen die Art und Weise des Philosophierens mit Kindern. Das ist unumgänglich. Problematisch wird es allerdings, wenn innerphilosophische Schulstreitereien auf Kosten der Kinder ausgetragen werden. Das Philosophieren mit Kindern ist nicht der Ort, um zu klären, ob der phänomenologische oder der analytische Ansatz in der Philosophie der richtige ist, ob die Klassiker der Philosophie bereits alles gesagt haben oder ob es einen genuinen Fortschritt in der philosophischen Analyse gibt, ob die Philosophie lediglich aus Fragen oder nicht doch auch aus Antworten besteht, ob die
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