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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers
Autoren: Stephen R. Lawhead
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wurden, wartete der Kaiser in seinem Zelt. Er kniete vor dem Stuhl und hatte die Hände zum Gebet gefaltet.
    Als Alexios schließlich wieder sein Zelt verließ, war die Sonne bereits hinter dem Horizont verschwunden, und am Himmel leuchteten zwei Sterne von der Farbe der Amethysten, die des Kaisers Schwertgürtel zierten.
    Ein Podium war neben dem Zelt errichtet worden, von wo aus der Kaiser zu seinen Truppen sprechen konnte, und da die Nacht nicht mehr fern war, hatte man Fackeln entzündet und neben dem Podium aufgestellt. Hinter einem Exkubiten mit dem Vexillum, der alten Standarte der römischen Legionen, stieg Alexios die Stufen empor, um über das versammelte Heer von Byzanz blicken zu können - eine Streitmacht, die zwar bei weitem nicht mehr ihre alte Größe besaß, die aber nach wie vor mächtig war.
    Die letzten der alten, ehrenvollen Themen standen in Reih und Glied vor dem Kaiser. Jede einzelne Einheit war durch die Farben ihrer Umhänge und Tuniken gekennzeichnet: Rot stand für Thrakien, Dunkelblau für Opsikion, Grün für Bithynien, Gold für Phrygien und Schwarz für die Hetairoi. Reihe um Reihe, die Speere funkelnd im flackernden Zwielicht, standen sie hier, fünfzigtausend Mann, die letzten Überreste der edelsten Kämpfer, welche die Welt je gesehen hatte: die Unsterblichen. Sie so sehen zu dürfen, erfüllte Alexios' Herz mit Stolz.
    »Morgen werden wir zum Ruhme Gottes und für das Wohl des Reiches kämpfen«, erklärte der Kaiser. »Morgen werden wir kämpfen. Aber heute nacht, meine tapferen Gefährten, heute nacht werden wir beten!«
    Alexios ging am Rand des Podiums auf und ab. Sein goldener Brustharnisch schimmerte wie Wasser im Licht der Fackeln. Wie viele Male hatte er schon zu seinen Truppen auf diese Art gesprochen, fragte er sich. Wie viele Male würde er noch von seinen Männern verlangen müssen, ihr Leben zum Wohle des Reiches zu opfern? Wann würde das alles enden? Großer Gott, es mußte doch ein Ende geben.
    »Wir beten für den Sieg über unsere Feinde, meine Freunde. Wir beten für Kraft, Mut und Ausdauer. Wir beten, daß Gott seine schützende Hand über uns halten und uns in der Hitze der Schlacht seine Erlösung gewähren möge.« Mit diesen Worten sank Alexios, Auserwählter des Himmels und Nachfolger der Apostel auf die Knie, und fünfzigtausend der besten Krieger, welche die Welt je gesehen hatte, taten es ihm gleich.
    Die Hände zum Himmel erhoben und mit geschlossenen Augen sandte der Kaiser aus tiefstem Herzen seine Bitten zu Gottes Thron hinauf. Seine Stimme hallte durch die Stille des Zwielichts mit all der Leidenschaft eines Befehlshabers, der weiß, daß seine Truppen einem übermächtigen Feind gegenüberstehen und daß er sich einzig auf ihren Mut verlassen kann, um die Waagschale des Krieges am Ende zu ihren Gunsten zu neigen.
    Als der Kaiser sein Gebet schließlich beendet hatte, war es Nacht geworden. Alexios öffnete die Augen, stand auf und starrte verwundert vom Podium herab. Ihm bot sich ein geradezu wunderbarer Anblick: Es war, als seien die Sterne auf die Erde gefallen, denn die Ebene vor ihm strahlte im Glanz des Himmels selbst. Jeder einzelne Soldat hatte einen Wachsstock entzündet, den er an seinem Speer befestigt hatte - fünfzigtausend Erdensterne erleuchteten das Lager mit ihrem klaren, heiligen Licht.
    Das Glühen dieses Lichts stärkte Alexios die lange, ruhelose Nacht hindurch, und es begleitete ihn auch noch, als er kurz vor Sonnenaufgang an der Spitze seiner Truppen aus dem Lager ritt. Die kaiserliche Reiterei überquerte die Maritza ein paar Meilen flußaufwärts des feindlichen Lagers, formierte sich zu geschlossenen Abteilungen und wartete auf den Tagesanbruch. Sie griffen von Osten her an, mit dem Licht der aufgehenden Sonne im Rücken. Den schlaftrunkenen Barbaren mußte es scheinen, als stürmten die himmlischen Heerscharen aus der Sonne heraus.
    Alexios traf die verwirrte Masse im Zentrum der Petschenegen-und Bogomilenhorde. Es war ein rascher, harter Stoß in den Bauch der Bestie, und er hatte sich schon wieder gelöst, bevor die barbarischen Kriegshörner die Männer zu den Waffen rufen konnten. Nachdem er den Feind aufgescheucht und in Wut versetzt hatte, ließ sich Alexios wieder zurückfallen - gerade so weit, daß er sich außerhalb der Reichweite von Schleudern und Wurfspießen befand - und wartete auf den Gegenangriff.
    Begierig darauf, sich für den überraschenden Angriff zu rächen, formierten die Invasoren rasch ihre
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