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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken
Autoren: Gary Jennings
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zurück. Nach den Regeln dieses christlichen Ordens konnten die Nonnen sich nicht weigern, mich aufzunehmen. Aber natürlich kannten sie meine Geschichte, und deshalb verachteten mich alle. Ich durfte nicht hoffen, als Novizin im Kloster bleiben zu können. Sie benutzten mich einfach als Dienstboten, als Sklavin, als Arbeitstier. Ich mußte die niedrigsten Arbeiten verrichten. Aber wenigstens hat man mir dafür ein Bett und etwas zu essen gegeben.«
    »Und deine Ausbildung?«
    »Ich habe Euch schon gesagt, daß meine Mutter mich vieles von dem gelehrt hat, was sie früher gelernt hatte. Und ich habe einiges Geschick darin, aufmerksam zu sein und zu beobachten. Also beobachtete ich, hörte zu und nahm alles in mich auf, was die Nonnen den Novizinnen und anderen ehrbaren Mädchen, die im Kloster lebten, beibrachten, selbst während ich arbeitete. Schließlich bin ich davongelaufen. Ich war der Meinung, ich hätte, wenn auch auf entwürdigende Weise, alles gelernt, was ich von den Nonnen lernen konnte. Hinzu kam, daß die schwere Arbeit und die Schläge tagtäglich unerträglicher für mich wurden.«
    »Du bist ein höchst bemerkenswertes Mädchen, Verónica. Ich bin unermeßlich glücklich, daß du dein Umherwandern überlebt hast und schließlich zu … zu uns gekommen bist.«
    Ich überlegte wieder. Wie sollte ich es am besten sagen? »Nach dem wenigen, was ich von Rebeca weiß, glaube ich, daß das weiße Blut in dir von ihrer Mutter, deiner Großmutter, stammt, und daß ihr Vater ein Moro, nicht ein spanischer Patrón gewesen sein muß. Aber das ist unwichtig. Wichtig ist, daß ich glaube, bei deinem Vater, wer immer es war, handelte es sich um einen Indio, einen Mexícatl oder Aztécatl. Deshalb fließen drei Arten Blut in deinen Adern, Verónica. Wahrscheinlich erklärt diese Mischung dein ungewöhnlich hübsches Aussehen. Das übrige kann ich nach den wenigen Andeutungen, die Rebeca gemacht hat, nur vermuten. Aber wenn ich recht habe«, fuhr ich fort, »war dein Großvater väterlicherseits ein hoher Adliger der Mexica, ein in jeder Hinsicht tapferer, weiser und wirklich edler Mann. Er war ein Mann, der den spanischen Eroberern bis zum Ende seines Lebens die Stirn geboten hat. Sein Beitrag zu deinem Wesen würde deine ungewöhnliche Intelligenz erklären und besonders dein erstaunliches Geschick mit Worten und beim Schreiben. Wenn ich recht habe, war dein Großvater ein Mexicatl namens Mixtli oder richtiger Mixtzin – Herr Mixtli.«
     
     

31
     
    Unser Heer kam auf seinem Weg durch das Land noch langsamer voran als zuvor, da wir die dummen, störrischen und widerspenstigen Rinder treiben mußten, die immer wieder durcheinanderliefen. Meine Männer wurden verständlicherweise unwillig, denn ich machte einige der Krieger praktisch zu einer Eskorte und zu Viehhütern. Deshalb legte ich unterwegs eine Marschpause ein, um ihnen Gelegenheit zum Blutvergießen, zum Plündern und Vergewaltigen zu geben. Das war im ehemals größten Dorf der Otomi. Inzwischen war es zu einer Stadt von beachtlicher Größe geworden, in der beinahe ausschließlich Spanier und ihr üblicher Anhang von Dienstboten und Sklaven lebten. Den alten Namen N’t Tahi hatte man durch Zelalla ersetzt.
    Als wir abzogen, war der Ort verbrannt, zerstört und dem Erdboden gleichgemacht wie zuvor Tonalá. Auch das war hauptsächlich das Werk der Granaten unserer Purémpe-Frauen. Wir hinterließen den Ort abgesehen von den Leichen – dank der Yaki waren es haarlose Leichen – völlig entvölkert.
    Ich kann mit Genugtuung berichten, daß meine Krieger Zelalla sehr viel würdevoller und sehr viel weniger herausgeputzt verließen als Tonalá. Das heißt, sie hatten sich nicht mit spanischen Röcken, Hauben, Mantillas und ähnlichem bekleidet und geschmückt. In Wirklichkeit schämten sich seit einiger Zeit selbst die Frauen und die dummen Moros all dieser unnützen Dinge. Sie machten sich lustig über den geschmacklosen Schmuck und sogar über die stählernen Brustharnische. Abgesehen davon, daß ihnen diese unkriegerische Aufmachung zunehmend peinlich war, stellten sie fest, daß die Kleidungsstücke sie beim Kampf gefährlich behinderten und besonders wenn es regnete, auf dem Marsch unangenehm schwer waren. Daher hatten sie die Kleidung und den Schmuck der Weißen Stück für Stück wieder abgelegt. Inzwischen sahen alle wieder aus wie wirkliche Indio-Krieger, die wir ja auch waren. Nur die warmen Wollsachen, die sich als Decken und Mäntel verwenden
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