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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken
Autoren: Gary Jennings
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Pozonáli und fragte dann beinahe schüchtern: »Und Verónica? Soll ich bei ihr bleiben, um sie zu beschützen?«
    »Ich glaube, das wird nicht nötig sein. Verónica, du bist ein äußerst intelligentes Mädchen. Ich möchte nur, daß du dich in Hörweite möglichst vieler Spanier begibst, die sich auf der Straße, auf den Märkten oder wo auch immer, zu zweit oder zu mehreren unterhalten. Belausche sie, besonders dann, wenn sie in Uniform sind oder wie bedeutende Persönlichkeiten aussehen. Sie werden kaum vermuten, daß du sie verstehst. Möglicherweise erfährst du auf diese Weise sogar mehr über die beabsichtigten Reaktionen der Spanier auf unsere Überfälle als der lyac Pozonáli.«
    »Ja, Herr.«
    »Ich habe auch für dich eine besondere Aufgabe. In der Stadt gibt es einen Weißen, dem ich die gleiche Warnung schulde, die Pozonáli dem Goldschmied überbringt. Er heißt Alonso de Molina. Vergiß den Namen nicht! Er ist ein hoher Würdenträger der Kathedrale.«
    »Ich weiß, wo das ist, Herr.«
    »Geh nicht direkt zu ihm, um ihn zu warnen. Er ist schließlich ein Spanier. Er könnte dich möglicherweise als Geisel festhalten.« Ich lachte, und es war mir bewußt, daß es bitter klang. »Er würde es mit Sicherheit tun, wenn er auch nur den leisesten Verdacht hätte, daß du meine … meine persönliche Schreiberin bist. Also übermittelst du ihm die Warnung auf einem Blatt Papier. Du faltest es, versiehst es mit Alonsos Namen und gibst es einem niedrigen Kirchenmann, der sich in der Kathedrale aufhält. Sag kein Wort, sondern benutze nur Gesten. Dann verschwindest du so schnell du kannst. Danach wagst du dich nicht mehr in die Nähe der Kathedrale.«
    »Jawohl, Herr. Sonst noch etwas?«
    »Nur das eine, aber es ist die wichtigste Anweisung, die ich euch beiden geben kann. Sobald ihr glaubt, alles in Erfahrung gebracht zu haben, was euch möglich war, verlaßt ihr so schnell wie möglich die Stadt, holt eure Pferde ab und kommt heil und gesund hierher zurück – und zwar zusammen. Wenn du, lyac, es wagen solltest, ohne Verónica … dann …«
    »Wir werden heil und gesund zurückkommen, Tenamáxtzin. Ich küsse die Erde darauf. Falls uns etwas Unvorhergesehenes zustößt und nur einer wiederkommt, dann wird es Verónica sein. Darauf küsse ich die Erde vierhundertmal!«
    Nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatten, erfreuten wir anderen uns alle an der neuen Umgebung und genossen das Leben in vollen Zügen. Wir lebten unbestreitbar sehr gut. Natürlich gab es mehr als genug Rindfleisch, doch unsere Jäger streiften trotzdem durch das Tal, um mit Hirschen und Kaninchen, Wachteln, Enten und anderem Wild für Abwechslung bei den Mahlzeiten zu sorgen. Sie erlegten sogar zwei oder drei der Berglöwen, nach denen die Berge benannt waren, obwohl das Berglöwenfleisch zäh und nicht besonders schmackhaft ist.
    Unsere Fischer stellten fest, daß in den Bergbächen große Mengen eines Fischs lebten, dessen Namen ich nicht kenne. Diese Fische waren eine Köstlichkeit und eine willkommene Ergänzung zu den vielen Fleischmahlzeiten. Die Sammler fanden alle möglichen Früchte, Gemüse, Wurzeln und eine Vielzahl uns unbekannter, aber wohlschmeckender Pflanzen. Die erbeuteten Krüge mit Octli, Chápari und spanischem Wein blieben mir und meinen Rittern vorbehalten, doch wir tranken nur wenig davon. Es fehlte eigentlich nur etwas wirklich Süßes wie die Kokosnüsse meiner Heimat.
    Ich glaube, viele der Menschen, vor allem die zahlreichen Sklavenfamilien, die wir befreit und mitgebracht hatten, wären zufrieden gewesen, den Rest ihres Lebens in diesem Tal zu verbringen. Wahrscheinlich hätten sie das auch unbelästigt, ja sogar ohne Kenntnis der Weißen bis in alle Ewigkeit tun können.
    Ich will damit nicht sagen, daß wir die Zeit nur mit Nichtstun verbrachten und gedankenlos in den Tag hinein lebten. Obwohl ich nachts zwischen den seidenen spanischen Laken unter einer warmen spanischen Wolldecke schlief und mir wie ein spanischer Marqués oder Vizekönig vorkam, war ich den ganzen Tag beschäftigt. Ich schickte meine Kundschafter in das Land hinter den Bergen und nahm ihre Berichte entgegen. Ich ging als eine Art Oberaufseher durch das Tal, denn ich hatte Nochéztli und den anderen Rittern befohlen, eine möglichst große Zahl unserer Männer im Reiten der vielen erbeuteten Pferde und im richtigen Gebrauch der vielen neuen Arkebusen zu unterrichten. Als einer meiner Späher zurückkam und meldete, nicht weit im Westen
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