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Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
Autoren: Alfred Bekker
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zu dem Baum, in dem die Speere steckten. Es war kein Herdenbaum, sondern eines der kleineren Gewächse im Halblingwald. Knapp fünfzig Mann hätten wahrscheinlich gereicht, um ihn zu umfassen, und er wuchs auch nur auf eine Höhe, die den Herden- und Wohnbäumen nicht einmal bis zur Hauptgabel reichte. Das Holz war schwarz wie die Nacht, aber die Rinde großporig und von vielen Unebenheiten durchzogen, sodass man daran gut Halt finden konnte.
    Arvan kletterte den Hauptstamm empor. Jeder Halbling hätte über seine ungeschickten Bewegungen gelacht und auch darüber, dass er oft erst beim zweiten Versuch an der Rinde oder in den kleinen Vertiefungen, die es am Stamm gab, Halt fand.
    Aber kein Mensch und schon gar kein Ork hätte ihm das auch nur annähernd nachmachen können. Er schnellte den Stamm empor. Einer der anderen Orks war inzwischen aus seiner Erstarrung erwacht und hatte mit wenigen langen Schritten den Baum erreicht. Er sprang hoch, um Arvan noch zu fassen zu kriegen.
    Arvan spürte eine Pranke an seinem Fuß. Eines der Schleudergeschosse wehrte der Ork mit einer beiläufigen Bewegung der anderen Pranke ab. Die Herdenbaumkastanie zerplatzte ungefähr zehn Schritte weiter, wo sie gegen einen anderen Baum geprallt war.
    In diesem Moment offenbarte sich, woher der schwarze Baum seinen Namen hatte.
    Dämonenbaum.
    Genau zwischen den drei Stellen, wo die Speerspitzen in die Rinde gefahren und sie durchdrungen hatten, riss der Baum förmlich auseinander. Die Rinde brach auf. Dahinter schien kaum noch Holz zu sein. Eine dunkle Höhle klaffte auf, und Dutzende von fledermausartigen Wesen schnellten daraus hervor. Sie hatten dolchgroße Stacheln an den Köpfen, die sie im Angriffsflug einsetzten wie Kriegsgaleeren ihre Rammsporne.
    Baumdämonen nannten sie die Halblinge. Man tat gut daran, sie in Ruhe zu lassen, dann blieben sie friedlich.
    Aber die Orks hatten das missachtet.
    Die schwarzen Bäume– zu klein, um in diesem besonderen Wald der Baumriesen je das Licht zu erreichen– wurden häufig von Walddämonen ausgehöhlt. Irgendwann brachen sie dann morsch in sich zusammen.
    Nur ein Dummkopf wirft einen Speer in einen schwarzen Baum, dachte Arvan, der zusah, wie gleich ein ganzer Schwarm der geflügelten Dämonen die Orks angriff. Ein dunkler Strom aus Geflügelten quoll aus dem Inneren des Baums hervor. Die ersten Orks wurden von den dolchartigen Hörnern so schwer getroffen, wie es sonst kaum eine Waffe vermochte. Immer wieder griffen die Baumdämonen an, stießen ihre Hörner in die Leiber der Orks und ließen dabei schrille Laute hören.
    Es waren jene Laute, die Arvan bereits zuvor ganz leise vernommen hatte. Daher überraschte ihn nicht völlig, was geschah.
    Die Orks gerieten in Panik. Gegen die immer wieder mit ihren Horndolchen herabstoßenden Baumdämonen hatten sie kaum eine Abwehrmöglichkeit. Ihre großen, plumpen Waffen waren kaum dazu geeignet, um sich damit gegen einen solchen Gegner zur Wehr zu setzen. Die Schwertstreiche der Sichelklingen gingen zumeist ins Leere. Nur ab und zu gelang es einem der Orks, einen Walddämon zu töten, indem er ihn mit der Klinge zerteilte. Dann aber wurde er gleich von mehreren Baumdämonen attackiert.
    Innerhalb weniger Augenblicke war der Spuk vorbei. Die Orks, die sich sonst vor keinem Gegner fürchteten und die härtesten Krieger ganz Athranors waren, ergriffen die Flucht, sofern sie dazu noch in der Lage waren. Etliche von ihnen lagen tot am Boden. Meist hatten sich Dutzende von Horndolchen in ihre Körper gebohrt, und das verkraftete selbst ein widerstandsfähiger Ork nicht. War der Stoß heftig genug, trat zusätzlich ein Gift aus der Spitze des Horndolchs, und das führte innerhalb weniger Augenblicke zum Tod.
    Die Leichen der Orks lagen hingestreckt auf dem Waldboden, übersät von jenen Walddämonen, deren Horndolche noch in den Leichen steckten und die mit ihren Flügelarmen und Beinen herumstrampelten, in dem Bemühen, die Horndolche aus dem Orkfleisch und vor allem aus der dicken Haut darüber zu ziehen. Einige der Baumdämonen hatten ihre Opfer mit solcher Wucht attackiert, dass ihre Horndolche sogar die Harnische durchdrungen hatten.
    Die Schreie der fliehenden Orks waren noch eine ganze Weile zu hören. Einige der Baumdämonen verfolgten sie bis tief in den Wald.
    Arvan atmete tief durch. Er hing in einer Höhe von drei Mannlängen am Baumstamm und hatte Halt an einem kleinen verkümmerten Ast und mehreren Vorsprüngen und Spalten in der groben
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