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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion
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sie wie verrückt auf den Airbag ein, der zischend langsam in sich zusammenfiel. Sie schob ihn von sich und begann, den Gurt durchzusägen. Ihre Wangen waren taub, ihre Finger begannen, vor Kälte starr und gefühllos zu werden.
    Wäre sie unverletzt gewesen, hätte sie den Gurt problemlos durchschneiden können. So aber musste sie alle Kraft aufbieten. Sie begann zu sägen und
fühlte
eher, statt es zu sehen, dass sie nicht allein war.
    Aber wo war er?
    Sie erstarrte. Mit der Linken umklammerte sie ihre halbautomatische Glock. Verkrampft, wie sie war, brauchte sie die handliche Pistole. Sobald sie sich aus dem Wrack befreit hatte, konnte sie das Gewehr wieder in Betracht ziehen und versuchen, das Halterungsschloss zu öffnen.
    Sie hörte nichts außer dem Heulen des Windes und ihrem eigenen angsterfüllten Herzschlag. Sie sah nur Weiß auf Weiß, Millionen von rasenden Schneeflocken, die vom Himmel fielen, und ihre eigene Fantasie gaukelte ihr Bilder vor. Ihr Herz raste.
    Ich weiß, dass du da bist. Zeig dich!
    Nichts. Sie fuhr mit der Zunge über ihre rissigen Lippen und sagte sich, dass sie sich lediglich Dinge einbildete. Gewöhnlich gab sie nicht viel auf »Bauchgefühl« und »weibliche Intuition« oder »Polizisteninstinkt«. Doch jetzt, in dieser einsamen vereisten Schlucht …
    Hatte sich da etwas bewegt? Im Dickicht dort, nur drei Meter vom Jeep entfernt? Mit hämmerndem Herzen spähte sie hinaus. Eiskristalle rieselten auf ihr Gesicht herab.
    Nichts.
    Aber doch, da bewegte sich eindeutig etwas … Sie ließ das Messer fallen, fasste die Pistole mit beiden Händen und zielte durch die zersplitterte Frontscheibe. Wieder ein Schatten.
    Sie drückte ab, als der Schatten vorsprang.
    Bamm!
    Die Kugel traf den Stamm einer schneebedeckten Kiefer. Borke, Eissplitter und Schnee spritzten auf.
    Ein großer Rehbock sprang zwischen den Bäumen hervor, stob den Berg hinauf und verschwand im Schneegestöber.
    »Ach«, flüsterte sie und fühlte sich wie in einem Adrenalinrausch.
Ein Reh. Nur ein verängstigtes Reh.
    Langsam stieß sie den Atem aus, fing wieder an zu sägen und hatte sich gerade selbst überzeugt, dass sie überreagierte, als sie in den Resten ihres Rückspiegels eine Bewegung sah. Sie schaute noch einmal hin; da war nichts mehr.
    Nun reiß dich zusammen.
    Ein letzter Schnitt mit dem Messer, und der Sicherheitsgurt gab sie frei. Im selben Moment spürte sie ein heißes Brennen im Nacken.
    Was jetzt?
    Sie schlug mit der flachen Hand auf ihren Nacken und fühlte etwas Kaltes, Metallisches, ein kleines Geschoss in der Nähe ihrer Halswirbelsäule. Eine eisige Faust legte sich um ihr Herz, als sie einen Pfeil herausriss.
    Sie zitterte panisch. Beinahe hätte sie das verflixte Ding fallen gelassen. Jemand hatte auf sie geschossen, aber womit? In dem schlanken silbernen Behältnis mit der kurzen Nadel und dem verborgenen Mechanismus, der die unbekannte Substanz in ihren Körper katapultierte, konnte sich Gott weiß was an Drogen oder Gift befinden. Ihr war speiübel.
    Nicht! Verlier jetzt nicht den Durchblick! Das Schwein ist ganz in der Nähe …
    Wieder bemerkte sie eine Bewegung in den Resten des Rückspiegels – ein vages Huschen.
    Sie blinzelte verzweifelt, hob die Pistole und wandte sich dem Fenster zu, doch es war zu spät. Schon gehorchten ihre Finger nicht mehr den Befehlen ihres Gehirns, die Bilder in ihrem Kopf wurden wirr, ein Prickeln überlief ihren gesamten Körper.
    Das Mittel …
    Wieder etwas Bewegtes in den Spiegelscherben.
    Das Gewehr. Sie brauchte das Ge…wehr …
    Sie versuchte zu agieren, nach dem Angreifer Ausschau zu halten, doch sie spürte nichts mehr, war taub an Körper und Geist. Ihr Kopf sank auf die Seite, die Pistole entglitt ihren Fingern, und die Welt begann, sich in gespenstischer Zeitlupe zu drehen. Alles um sie herum verwandelte sich in trübe, verschwommene Schemen.
    »Nein!«, sagte sie. Ihre Zunge fühlte sich zu groß an. Vergeblich tastete sie nach ihrer Pistole.
    Und dann sah sie ihn, seine vom zersplitterten Spiegel verzerrten Züge, seine große Gestalt in Weiß, das Gesicht von einer Skimütze verdeckt, die Augen hinter einer großen dunklen Skibrille verborgen.
    Ihr Bewusstsein begann zu schwinden, sie glitt in eine Ohnmacht, als er sagte: »Detective Pescoli.« Seine warme Stimme ließ darauf schließen, dass er sie kannte. Er war nur noch ein paar Schritte entfernt … Wenn sie doch nur ihre Waffe auf ihn hätte richten können … »Anscheinend hatten
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