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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion
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dein Schicksal ergeben hast … Aber behalte sein Messer im Auge, das Messer mit der gefährlichen, todbringenden Klinge.
    Sie zitterte inzwischen immer heftiger. So sehr, dass sich Borkensplitter in ihre Haut gruben. Zitterte sie wegen des bitterkalten Winds von Montana, der in heftigen Stößen sicherlich von Kanada und der Arktis herüberblies? Oder lag es an der Angst, die in ihren Eingeweiden wühlte?
    Trotz Knebel schlugen ihre Zähne aufeinander, und der grausame eisige Wind peitschte ihren Körper. Immer mal wieder sah sie kurz die Beine des Mannes, warm eingehüllt in dicke Jägersocken und weiße Skihosen und seinen schweren, pelzgefütterten Parka, der ihn vor den Elementen schützte, denen sie wehrlos ausgesetzt war.
    Dieser verlogene Schweinehund hatte nie die Absicht, dich zu retten, nach diesem grauenhaften Unfall deine Verletzungen zu heilen. Von Anfang an hat er dich am Leben erhalten und den Schneesturm als Vorwand benutzt, keine Hilfe holen zu können, um dich dann umzubringen. Zu einem Zeitpunkt, den er bestimmte. Er hat die Vorfreude ausgekostet, während du dich beinahe in ihn verliebt hättest.
    Der Gedanke verursachte ihr Brechreiz. Er hatte es gewusst. Sie hatte es in seinen Augen gesehen, dass er um ihre absolute Abhängigkeit wusste, um ihren albernen, dummen und erbärmlichen Wunsch, ihm zu Gefallen zu sein.
    Wenn sie es gekonnt hätte, hätte sie ihn umgebracht. Hier und jetzt, auf der Stelle.
    Wieder hörte sie ihn befriedigt murmeln, während er das Seil immer fester zurrte, ihren Rücken noch dichter an die kratzende Borke zwang, ihre Schultern unbeweglich fixierte. Aber sie konnte immer noch treten. Obwohl eins ihrer Beine nach der Unfallverletzung noch schmerzte, glaubte sie in ihrer Verzweiflung, ihn dank ihres intensiven Trainings in diversen Kampfsportarten treffen, ihn böse verwunden zu können.
    Doch er achtete penibel darauf, sich auf der anderen Seite des Baums außer Reichweite ihrer Füße aufzuhalten. Und allmählich forderte die Eiseskälte ihren Tribut. Sie bekam Probleme, sich zu konzentrieren, konnte an nichts anderes mehr denken als an ihre vereiste Haut, die arktische Kälte, die ihr in die Knochen drang.
    Ihr wurde beinahe schwarz vor Augen. Jeder Atemzug kam mühsam und flach, ihre Lungen brannten vor Sauerstoffmangel.
    Vielleicht wäre es ein Ausweg, wenn sie bewusstlos würde. Die Dunkelheit war tröstlich, nahm dem Wind seine Schärfe.
    Doch dann sah sie ihn auf sich zukommen, sah, wie er sich vor ihr aufstellte und sie mit grausamem, erbarmungslosem Blick betrachtete.
    Wie hatte sie ihn je für gutaussehend halten können? Wie hatte sie zulassen können, dass er in ihren Träumen eine so große Rolle spielte? Wie hatte sie je in Betracht ziehen können, mit ihm zu schlafen?
    Langsam zog er sein Messer aus dem Gürtel. Die brutale Metallklinge blinkte im schwindenden grauen Licht auf.
    Sie war dem Untergang geweiht.
    Sie wusste es.
    Schon bevor er langsam, unaufhaltsam, das Messer hob.

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    1. Kapitel
    I vor Hicks machte Kälte normalerweise nicht viel aus, doch es gefiel ihm gar nicht, dass er gezwungen war, so kurze Zeit nach einem Schneesturm in diesem Teil der Berge zu Fuß unterwegs zu sein. Hier konnte jederzeit eine Lawine runterkommen, wenn er zu laut hustete, und husten würde er über kurz oder lang, denn seine Lungen rasselten, als ob er eine Krankheit ausbrütete.
    Wahrscheinlich sind diese Aliens schuld, entschied er, schüttelte den Gedanken aber rasch wieder ab. Kein Mensch glaubte ihm, dass er Ende der Siebziger von Aliens entführt worden war, die Experimente mit seiner Lunge, seinem Blut und seinen Geschlechtsteilen durchgeführt hatten. Die verfluchten E. T.s hatten seinen ausgelaugten, erschöpften Körper in einer Schneewehe zwei Meilen von seinem Haus entfernt in den Bergen abgelegt. Als er aus dem drogeninduzierten Koma erwachte, lag er, nur mit einer Unterhose bekleidet und halb erfroren, bei einem hohlen Baumstamm, in dem ein Stachelschwein und Käfer hausten, neben sich eine leere Flasche Roggenwhiskey. Aber keiner von diesen elenden Gesetzeshütern hatte ihm glauben wollen.
    Der Deputy Sheriff, bei dem er damals Anzeige erstattete, ein kleiner Klugscheißer von etwa dreißig Jahren, hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, sein ungläubiges Grinsen zu verbergen. Er hatte nur flüchtig ein Protokoll aufgenommen und Ivor dann ins örtliche Krankenhaus geschleppt, wo er seine Frostbeulen und die Unterkühlung behandeln lassen sollte.
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