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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion
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dem Gewicht zu ersticken drohte.
    Jillian schüttelte sich vor Ekel und wand sich unter dem Körper der Frau hervor. Sie nahm kaum noch wahr, dass der Tumult im Flur immer lauter wurde und das Sirenengeheul näher kam.
    Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und musterte ihre Angreiferin, die am Boden lag. Ihre glasigen Augen verrieten ihr, dass es vorbei war. Aarons zweite Frau war tot.
    Jillian kam mühsam auf die Füße und humpelte zur Tür. Im selben Augenblick rasselte der Schlüssel im Schloss, und die Tür wurde aufgestoßen.
    MacGregor, leichenblass, stürzte mit gezogener Waffe ins Zimmer. »Jillian!« Seine Stimme brach, und er riss sie in seine Arme.
    Sie ließ sich gegen ihn fallen, brach an seiner warmen, starken Brust zusammen. Sie blutete, war am ganzen Körper zerschunden, war im Begriff, das Bewusstsein zu verlieren, doch hier, in MacGregors Armen, war sie in Sicherheit.
    Endlich.
    Voller Erleichterung klammerte sie sich an ihn. »MacGregor.«
    »Du blutest. Lass mal sehen.«
    »Falda!«, rief eine Männerstimme, schwach, gebrochen.
    Jillian erschrak. Über MacGregors Schulter hinweg sah sie Aaron Caruso in die Knie sinken. Dieser gebrochene Mann war derjenige, dem sie ihre Liebe geschenkt hatte, der sie verlassen und seinen Tod vorgetäuscht hatte. Krank und blass sah er aus, als er jetzt den blutverschmierten Kopf seiner zweiten Frau in den Schoß nahm.
    »O Falda«, flüsterte er. »Was hast du getan?« Er drückte ihren Körper an sich, ihr Blut befleckte seine Jacke. »Ach Falda, warum?« Er wiegte die Tote in seinen Armen. Aus einiger Entfernung kam Sirenengeheul.
    Im Flur sammelten sich Zuschauer. Ein paar Hotelgäste und Angestellte kamen durch die offene Tür ins Zimmer. Ein bewaffneter Wachmann drängte sich durch die Menge, trat ins Zimmer und drehte sich um, um die Gaffer zurückzudrängen.
    »Zurück! Bitte zurücktreten!« Mit einem Blick schätzte er die Lage ein und sagte zu MacGregor: »Die Polizei ist schon unterwegs.«
    »Gut.«
    Aaron, der auf dem Boden saß und seine tote Frau in den Armen wiegte, blickte auf.
    Zum ersten Mal seit vielen Jahren sah Jillian ihm in die Augen – dem Mann, der ihre erste Liebe gewesen war. »Es tut mir leid«, sagte er, und es klang aufrichtig. Tränen traten ihm in die Augen, und er versuchte, sie wegzublinzeln. »Ach, Jilly, es tut mir so leid.«
    Sie antwortete nicht. Wollte nicht lügen. Ihr tat nicht leid, was sie so lange gemeinsam gehabt hatten … und ihr tat es nicht leid, dass Falda tot war. Sie spürte, wie MacGregor sie fester in die Arme nahm.
    »Dass es so weit kommt, habe ich nie gewollt«, sagte Aaron.
    Sie biss die Zähne zusammen.
    »Ich werde sterben. Und Falda ist tot. Sie wird dir nie wieder etwas tun … und außerdem ist Weihnachten.« Er wirkte so gebrochen, dass ihr das Herz tatsächlich ein bisschen weh tat, genauso wie es für jeden anderen geschmerzt hätte, der seinem Tod ins Auge sah. Sie würden ihn verhaften, für alle Verbrechen vor Gericht stellen, die noch nicht verjährt waren, aber er würde, wie sie vermutete, vorher sterben. Er war erbarmungswürdig, und was ihm bevorstand, würde sie nicht einmal ihrem schlimmsten Feind wünschen. »Ich fühle mich scheußlich«, sagte Aaron zerknirscht. »Ob du mir je verzeihen kannst?«
    »Dir verzeihen?« Sie dachte an all den Kummer, den sie seinetwegen erlitten hatte, daran, dass er sie alleingelassen hatte, damit sie seine Altlasten übernahm, die Konfrontation mit der Presse, mit den betrogenen Investoren. Während er einfach die Frau heiratete, mit der er sie betrogen hatte. Er war ein Parasit, hatte vom Geld anderer Leute gelebt, ohne daran zu denken, wie viel Unheil er anrichtete. Und noch während der Zeit, als sie sein Verschwinden betrauerte, hatte er eine zweite Frau genommen, sofern man Falda als seine Frau bezeichnen konnte. Schließlich hatte Aaron sich der Bigamie schuldig gemacht. Er hatte sich an eine Psychopathin gebunden, die Jillian betäubt und im Wald dem Tod durch Erfrieren ausgesetzt hatte. Und als das schiefgegangen war, hatte Falda alles auf eine Karte gesetzt, um sie doch noch zu töten, und beinahe wäre es ihr auch gelungen.
    »Dir verzeihen?«, wiederholte sie und schüttelte den Kopf. »Heute nicht«, sagte sie, »aber das könnte sich ändern. Irgendwann vielleicht. Kurz bevor die Hölle einfriert.«

[home]
    Epilog
    S oso, sie haben den Prätendenten also gestellt. Schön.
    Draußen frischt der Wind wieder auf und fegt gewaltig durch
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