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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia
Autoren: Raymond E. Feist
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ihn zu Boden, während der Aufseher nach Handschellen und Stricken aus gehärtetem Needra-Leder verlangte, um dem Barbaren seine unbezähmbare Wildheit auszutreiben.
    Doch der Barbar war immer noch nicht eingeschüchtert. Als wäre ihm nicht bewußt, daß der Aufseher ihm mit einer einzigen Geste das Leben nehmen konnte, schleuderte er die zerzausten Haare zurück und betrachtete die Wächter mit großen, blauen Augen. Irgendwann in dem Durcheinander mußte ihn ein Peitschenhieb quer über einen Wangenknochen getroffen haben. Blut rann über sein Gesicht und versiegte in dem wild wachsenden Bart. Der Midkemier konnte kaum älter als zwanzig sein, und sein prachtvolles Äußeres hatte unter der groben Behandlung durch die Wächter kaum gelitten. Er sagte etwas. Mara und Lujan sahen, wie sich das Gesicht des Maklers verhärtete, und eine der Wachen unterdrückte einen Lachanfall hinter der behandschuhten Hand, völlig untypisch für einen Tsurani. Der Aufseher mit der Peitsche schien sich besser im Griff zu haben. Er antwortete mit ein paar Hieben, dann trat er den Barbaren, so daß dieser vornüber auf das Gesicht fiel.
    Mara zuckte trotz der offenen Brutalität nicht zusammen. Auf ihrem Gut wurden ungehorsame Sklaven wegen weit geringerer Vergehen gezüchtigt. Aber auch die Tatsache, daß die Haltung des Rothaarigen unvorstellbar war für die Sitten ihrer Gesellschaft, schockierte sie nicht weiter. Sie hatte sich mit den Gewohnheiten der Cho-ja vertraut gemacht, ihre Andersartigkeit und Weisheit schätzen gelernt, so fremdartig sie auch sein mochten. Als sie den Sklaven in dem Verschlag zusah, kam ihr der Gedanke, daß sie möglicherweise Menschen waren wie sie, daß aber ihre Welt ganz anders als Kelewan war. Sie waren Fremde und begriffen möglicherweise das Ausmaß ihres Schicksals nicht, denn auf Kelewan konnte ein Mensch die Sklaverei nur durch die Pforten des Todes hinter sich lassen. Er besaß weder Ehre noch Seele und war so unwichtig wie ein Insekt; entweder lebte er in Annehmlichkeiten oder unter großen Qualen, doch sein Schicksal kümmerte die Ranghöheren so wenig wie das der honigsammelnden Rotbienen.
    Ein tsuranischer Krieger wäre eher durch die eigene Hand gestorben, als daß er zugelassen hätte, lebendig vom Feind gefangengenommen zu werden – entsprechend waren Gefangene gewöhnlich Verwundete, Bewußtlose oder Feiglinge. Diese Midkemier hatten vermutlich vor der gleichen Wahl gestanden, und mit ihrer Entscheidung, ohne Ehre weiterzuleben, hatten sie ihr Los bestimmt.
    Der Rothaarige schien sich ganz und gar nicht damit abzufinden. Er rollte sich zur Seite, um einem Peitschenhieb auszuweichen, und krachte gegen die Fußknöchel des Aufsehers. Der fette Mann schrie auf und stolperte, doch der Buchhalter bewahrte ihn vor einem Sturz, indem er sofort die Tafel fallen ließ und in die zerknitterte gelbe Seide griff. Die Kreidetafel fiel in den Staub, und der Barbar rollte sich mit beneidenswerter Listigkeit auf sie. Schweiß und Schmutz verwischten die Markierungen, und von der Galerie aus sah Mara mit eigenartiger Erregung, daß der Korb leer war. Nur ein Drittel der Männer im Hof war angekleidet; einigen fehlten die Hosen, andere hatten keine Hemden. Obwohl der Rothaarige sich Schläge eingehandelt hatte, möglicherweise sogar den Tod durch den Strang, hatte er einen kleinen Sieg über seine Wärter errungen.
    Die Männer mit den Haken kamen näher. Hitze und Anstrengung hatten ihnen auch das letzte bißchen Geduld geraubt, und es war klar, dieses Mal würden sie ihn zum Krüppel schlagen.
    Aus einem plötzlichen Impuls heraus sprang Mara auf. »Genug!« rief sie von der Galerie herunter. Der befehlende Ton ihrer Stimme zwang die Soldaten zum Gehorsam. Die Lady war eine Herrscherin, sie selbst dagegen waren nichts weiter als Diener. Sie waren es gewohnt, Befehle zu befolgen, und so ließen sie die Haken sinken und blieben stehen. Der Makler strich überrascht sein Gewand glatt, während der barbarische Sklave auf dem staubigen, ausgetretenen Boden sich mühsam auf einem Ellbogen aufstützte und nach oben schaute.
    Es schien ihn zu erstaunen, daß sein Retter eine kleine, schwarzhaarige Frau war. Dennoch starrte er sie weiterhin kühn an, bis der Buchhalter ihm ins Gesicht schlug, damit er seinen Blick abwandte.
    Mara runzelte verärgert die Stirn. »Ich sagte genug! Noch mehr davon, und ich werde darauf bestehen, daß Ihr dafür bezahlt, Waren zu zerstören, während jemand darauf wartet, ein
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