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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia
Autoren: Raymond E. Feist
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Maras gesamte Aufmerksamkeit neuen Plänen zur Stärkung ihres Hauses. Sie hatte sich mit Jican zurückgezogen, um den Bedarf an neuen Sklaven zu besprechen, die das Gebiet nördlich vom Herrenhaus von Büschen befreien sollten; spätestens bis zur Zeit des Kalbens im Frühjahr mußten neue Weiden, Pferche und Scheunen bereitstehen, damit die jungen Needras und die Muttertiere genügend Gras zur Verfügung hatten.
    Als mittlerweile zweithöchster Offizier der Acoma hatte Lujan gelernt, daß die Macht dieses Hauses nicht nur auf der Loyalität und dem Mut seiner Soldaten beruhte, oder auf den weitreichenden Handelskonzessionen und Investitionen – es waren die gewöhnlichen und trägen sechsbeinigen Needras, auf denen der ganze Reichtum der Acoma basierte. Wenn Mara also die Macht der Acoma steigern wollte, bestand ihre oberste Pflicht darin, die Zuchtherde zu vergrößern.
    Lujan richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Herrin, als Mara ihren Umhang etwas anhob, damit er nicht durch den Staub schleifte. Er war blaßgrün und schlicht bis auf die Umrisse der Shatra-Vögel – das Wappen der Acoma –, die sorgfältig am Saum und an den Ärmeln aufgestickt waren. Die Lady trug Überschuhe mit hohen Sohlen um ihre Sandalen, damit diese nicht vom Straßenschmutz verunreinigt wurden. Ihre Schritte klangen hohl und dröhnend, als sie die hölzerne Treppe zu den Galerien entlang der Palisade emporstieg. Eine verblassende Markise aus Segeltuch überdachte die Konstruktion und bewahrte die tsuranischen Lords und ihre Makler vor der unbarmherzigen Sonne. Hier konnten sie gewöhnlich in angemessener Entfernung zum Staub und Schmutz der Straße und erfrischt von den leichten oder etwas kräftigeren Brisen, die vom Fluß herüberwehten, in aller Ruhe die zum Verkauf stehenden Sklaven begutachten.
    Für Lujan war die Galerie mit ihren tiefen Schatten und den in Reihen aufgestellten Holzbänken weniger ein Rückzugsort als vielmehr ein Platz undurchdringlicher Dunkelheit. Er berührte seine Herrin leicht an der Schulter, als sie den ersten Absatz erreichte. Sie wandte sich um und begegnete Lujans besorgtem Blick.
    »Lady«, sagte Lujan taktvoll, »wenn ein Feind hier auf Euch lauert, sollte er besser zuerst die Bekanntschaft mit meinem Schwert als mit Eurem hübschen Gesicht machen.«
    Mara zog die Mundwinkel in der Andeutung eines Lächelns leicht empor. »Schmeichler«, meinte sie mit gespieltem Vorwurf, »Ihr habt natürlich recht.« Der förmliche Ton zwischen ihnen wurde durch ihren Humor jetzt ein wenig abgemildert. »Auch wenn Jicans Protest auf der Überzeugung beruhte, daß mir von den barbarischen Sklaven und nicht einem anderen Herrscher Gefahr drohen würde.«
    Sie bezog sich auf die preiswerten Midkemier, Kriegsgefangene aus dem Spaltkrieg. Mara fehlte die nötige Finanzkraft, um gewöhnliche Sklaven für das Herrichten der Weiden kaufen zu können. So sah sie sich zum Erwerb von Barbaren gezwungen, die in dem Ruf standen, eigensinnig und rebellisch zu sein und es an jeglicher Demut gegenüber ihrem Herrn oder ihrer Herrin fehlen zu lassen. Lujan warf einen Blick auf seine Lady, die ihm kaum bis zur Schulter reichte, doch mit ihrer Persönlichkeit jeden Mann – ob Lord oder Sklave oder Diener – vernichten konnte, der ihren unbezwingbaren Willen herausforderte. Er kannte die Entschlossenheit in ihren dunklen Augen. »Ich gehe jede Wette ein, daß Ihr mit den Barbaren leichtes Spiel habt.«
    »Wenn nicht, bekommen sie alle die Peitsche zu spüren«, sagte Mara entschieden. »Denn sonst würden uns nicht nur die Weiden fehlen, die wir im Frühjahr dringend brauchen werden, sondern auch das Geld für die Sklaven wäre verloren. Ich hätte Desio die Arbeit abgenommen.« Nur selten kam es vor, daß sie eigene Zweifel zugab, und er enthielt sich jeglichen Kommentars.
    Lujan ging seiner Herrin auf die Galerie voran, während er schweigend seine Waffen kontrollierte. Die Minwanabi mochten noch ihre Wunden lecken, aber Mara hatte jetzt zusätzliche Feinde – Herrscher, die ihren plötzlichen Aufstieg neidisch verfolgten, Männer, die wußten, daß der Name der Acoma auf den Schultern einer zarten Frau und ihres unmündigen Kindes ruhte. Sie ist noch nicht einmal einundzwanzig, flüsterten deren Berater. Was Jingu von den Minwanabi anging, war Mara sicherlich schlau gewesen, aber sie hatte auch viel Glück gehabt; im Laufe der Zeit würden ihre Jugend und Unerfahrenheit sie zu Fehlern verleiten. Dann würden sich die
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