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Der Skandal (German Edition)

Der Skandal (German Edition)

Titel: Der Skandal (German Edition)
Autoren: Fran Ray
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Schon den ganzen Abend hält er sich an Perrier. Trotzdem lacht er mit.
    Christina kann immer noch nicht fassen, dass es vorbei sein soll. Sie hat tatsächlich das C auf das Factsheet an der Wand gemalt. C für Closed – Fall abgeschlossen.
    Wenn sie die Augen schließt, sieht sie selbst jetzt, in der Bar, sofort wieder das tote Mädchen neben den Mülltonnen im Hinterhof liegen. Das Kleid zerrissen, die Beine verdreht. Ratten, die angefangen haben, sich über sie herzumachen, huschen weg, als sie mit Aaron zum Fundort kommt.
    Seit zehn Jahren ist sie bei der Polizei, und sie hat schon mehrere tote Kinder gesehen, aber keines hat sie so berührt wie Charlene. Vielleicht lag es daran, dass sie so alt war wie Jay. Sie wirkte so dünn, so zart in dem hellen Kleid. Christina lässt sich normalerweise nicht zu Sentimentalitäten hinreißen, und an Gott kann sie auch nicht glauben, aber sie hat an einen Engel denken müssen, an einen kleinen Engel, der vom Himmel gefallen war.
    »Chris, hast du das mitgekriegt?«
    »Was, Ed?«, fragt sie, herausgerissen aus ihren Gedanken. Ed, Rob und Gary lachen wieder, diesmal grinst sogar Aaron. Ihre Augen sind tränennass, ihre Gesichter gerötet.
    »Ich hab wieder einen eurer geistreichen Witze verpasst, oder?«
    Daraufhin grölen sie wieder. Es ist das Adrenalin, das rausmuss. So ist es immer, wenn sie einen großen Fall gelöst haben. Heute trinkt sie zum ersten Mal so lange mit. Und seit heute nehmen die harten Kerle von der Mordkommission sie zum ersten Mal für voll. Sie, die junge blonde, angeblich nicht unattraktive Kollegin. Sie hat ihnen gezeigt, dass sie genauso clever, hartnäckig und taff ist wie sie. Und heute demonstriert sie ihnen, dass sie auch genauso viel verträgt wie sie. Plötzlich tun sie, als hätten sie nie ein Problem gehabt mit einem weiblichen Detective, denkt sie.
    »Du hättest ihn sehen sollen, Chris, Brewer ist die Kinnlade runtergefallen«, sagt Ed, genannt Ironman, der einfach nicht aufhören kann zu lachen, sein Gesicht glüht, »als Gary ihm gesagt hat, dass du den Kerl geschnappt hast.« Ed wischt sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Mit seiner rötlichen Haut, den leicht vorstehenden überwachen Augen, dem hastigen Sprechen und dem übermäßigen Schwitzen wirkt der stämmige Ed Keller immer, als bekäme er jeden Moment einen Herzinfarkt. Aber er behauptet, fit zu sein wie Ironman, und das hat ihm seinen Spitznamen eingebracht.
    »Brewer kann froh sein. Ist doch gut für seine Erfolgsbilanz«, sagt sie, denn sie weiß, wie ehrgeizig der Lieutenant ist.
    »Unser Lieutenant wär aber noch froher, wenn er selbst es gewesen wäre, der ihn gestellt hat«, meint Rob Winehouse in seinem dröhnenden Bariton, und die anderen nicken. »Hätte ihm ein paar Punkte mehr auf seiner Bewerbungsskala zum Captain eingebracht.« Rob lockert seinen längst schon lockeren Schlips und hebt seine mächtige dunkle Pranke. »Terry, noch mal ’ne Runde für alle!«
    »Warum sind nur alle so auf eine Beförderung aus?« Gary verzieht das Gesicht zu einem Grinsen.
    »Nur unser Gary Weasly nicht, was?« Ed knufft ihm in die Rippen.
    »Weil ich’s einfach nicht verantworten kann, euch Dumpfbacken allein rummachen zu lassen, so einfach ist das!«, kontert Gary. »Und überhaupt, ich sag euch jetzt was, also …«
    Christina schaltet für einen Moment ab, kippt den Rest aus ihrem Glas hinunter und beobachtet die anderen. Aaron hält sich tapfer mit Perrier. Eds Schweißflecken unter den Achseln werden immer größer, Robs Augen glänzen glasig, Gary, das Wiesel, redet und redet noch mehr als sonst, und ich, denkt Christina, bin schon halb weggetreten … Wir würden uns großartig machen auf einem Foto im Sentinel . Und darunter würde stehen: So feiert die Mordkommission von Milwaukee die Festnahme von Charlenes Mörder.
    Wer, um Himmels willen, kann so etwas tun?, hat sie sich die letzten sechs Monate gefragt. Die Stadt hat es auf Platz fünf geschafft auf der Liste der kriminellsten Städte des Landes, hundert Morde im Durchschnitt jedes Jahr. Die Frage müsste sie sich also öfter stellen. Aber die Sache ist: Sie hat sich gewöhnt an die Gewalt. Und trotzdem: Diesmal war es anders. Jedes Mal, wenn sie nach Hause kam und ihren Sohn Jay in den Arm nahm, drückte ihr die Wut die Luft ab. Sie kann nicht gut umgehen mit Emotionen, das weiß sie selbst.
    Charlene Brickerton, sieben Jahre alt, kein Vater, Mutter Junkie und Prostituierte.
    »Es tut uns leid, aber Ihre
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