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Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit

Titel: Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
Autoren: Garth Nix
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beschweren würden. Zwei der drei waren Lallek und Korrek, die Kusinen seiner Mutter. Sich über Tal zu beklagen, war eine ihrer Lieblingsaktivitäten. Die dritte Person kannte er nicht. Es war ein Mann mit breiten orangefarbenen Streifen auf dem Gewand und einem Kragen voller Spiegel und Sonnensteine, die seinen hohen Rang innerhalb des Ordens signalisierten.
    Die Geistschatten der drei waren schneller als ihre Meister. Als Tal hereinkam, erhoben sie sich vom Boden.
    Die Schatten der Kusinen hatten die Form eines Dretch, eines weit verbreiteten Einwohners von Aenir. Dretche sahen aus wie eine vier Spannen hohe, geradezu grotesk schmale Mischung aus einem Stabinsekt und einer Spinne, hatten acht Beine und Kugelaugen. Tal fand, dass sie sich nur wenig von Lallek und Korrek unterschieden.
    Den Geistschatten des Mannes sah Tal zunächst nicht. Er wirkte sehr klein und eher breit, bis er aufsprang. In den paar Sekunden, die Tal brauchte, um bis zur anderen Seite des Zimmers zu kommen, sah er etwas, das sich unter der dreieinhalb Spannen hohen Decke bücken musste, in der Mitte eiförmig war und einen echsenhaften Kopf, vier Beine und einen Schwanz hatte.
    Tal dachte nicht mehr daran, als er die Sonnenkammer betrat. Wie er erwartet hatte, war seine Mutter dort. Sie hielt Kusi, Tals dreijährige Schwester, und Gref, seinen neun Jahre alten Bruder, im Arm, die beide bei ihr im Bett lagen. Sie alle hatten geweint, das konnte Tal sehen. Tal wünschte, er könnte auch in das Bett kriechen und einen Moment bei seiner Mutter Trost finden.
    Grailes Geistschatten lag unter dem Bett und nur sein runder, eigenartig unscharfer Kopf war sichtbar. Mit Grailes fortschreitender Krankheit war er immer blasser geworden. Er war einmal sehr stark gewesen, hatte die Form einer großen Eule mit buschigen Augenbrauen gehabt. Er hatte zu den wenigen Geistschatten im Schloss gezählt, die eine längere Strecke von ihrem Meister wegfliegen konnten. Jetzt sah er aus wie das geschmolzene Wachsmodell einer Eule. Seine Schattenhaut war hell und beinahe durchsichtig – sogar hier in der Sonnenkammer.
    Graile war offensichtlich sehr krank. Ihre Haut war grau und verschwitzt und ihr Gesicht war so eingefallen, dass sie beinahe fremd aussah.
    Tal war den Tränen nahe, als er sie anblickte. Er weigerte sich zu glauben, dass sein Vater nicht zurückkommen würde, jetzt, wo seine Mutter dem Tod so nah schien. Sogar der Sonnenstein, der an ihrem Hals hing, verblasste. Er blitzte nicht einmal auf, als Tal seinen Stein zur Begrüßung hob.
    „Ich grüße dich, Mutter“, sagte er. Sein Sonnenstein leuchtete auf und schenkte ihr etwas Licht, wie es üblich war.
    Graile lächelte schwach, konnte aber ihre Arme nicht von den beiden Kindern lösen, um ihren Sonnenstein zu heben.
    „Tal“, sagte sie mit so leiser Stimme, dass er sich neben ihr Bett hocken musste, um sie überhaupt hören zu können. „Tal.“
    „Sie haben… sie haben gesagt, dass Vater nicht mehr zurückkommt“, sagte Tal. Seine Stimme versagte beinahe. Gref und Kusi sahen ihn an und weinten wieder.
    „Ruhig, Kinder“, tröstete Graile sie. „Es mag stimmen, dass euer Vater noch nicht zurückgekehrt ist, doch das muss nicht bedeuten, dass er für immer von uns gegangen ist. Ich glaube, er wird rechtzeitig zurückkehren. Aber bis es so weit ist, müssen wir alle tapfer sein. Könnt ihr tapfer sein? Für mich und für euren Vater?“
    „Ja“, sagte Tal, obwohl er schlucken musste. Gref und Kusi nickten, unfähig zu sprechen.
    „Ich muss allein mit Tal reden“, erklärte Graile. „Gref, nimm Kusi mit zu Hudren. Sie wird euch Orangenkuchen und Süßwasser geben.“
    Tal half Kusi aus dem Bett. Ihr Schattenwächter glitt zuerst heraus, damit er sie auffangen konnte, falls Tal ausrutschte. Das Mädchen schien glücklich zu sein, zu Hudren zu gehen. Hudren war die einzige Dienerin aus dem Untervolk, die sie nun schon eine Weile behalten konnten. Sie war Grefs Amme gewesen und war jetzt Kusis.
    „Ich möchte bleiben“, sagte Gref. „Ich bin beinahe so alt wie Tal.“
    „Nein, bist du nicht!“, stieß Tal hervor. Er war fast fünf Jahre älter. „Kannst du nicht zählen?“
    „Gref, geh mit deiner Schwester“, bat Graile sanft. Ihr Geistschatten winkte mit einer seiner Klauen und unterstrich damit ihre Anweisung. Gref warf Tal einen missmutigen Blick zu, ging aber.
    „Setz dich zu mir“, sagte Graile. „Tal, ich glaube fest daran, dass dein Vater zu uns zurückkehren wird. Aber wir
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