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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao
Autoren: Pauline Gedge
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eines Tierherzens samt Luftröhre und rang sich ein Lächeln ab. »Danke, Mutter.«
    Sie sah ihn besorgt an. »Bist du immer noch verstimmt? Du kannst sowieso erst zur Schule gehen, wenn das Hochwasser zurückgegangen ist. Du hast also noch viel Zeit, mit den Fröschen zu spielen. Versuch, den heutigen Tag zu genießen. Wir müssen jetzt los. Dein Vater wartet sicher schon.«
    Huy fühlte sich augenblicklich besser. Vielleicht hörte Isis einfach nicht auf zu weinen, und die Nilschwemme ging nicht zurück, sodass Hut-Herib eine Reihe von Inseln blieb. Das winzige Fischerboot seines Vaters würde nicht gegen die Strömung aus dem Süden ankommen, wenigstens nicht bis hinauf nach Iunu, und die Barke von Onkel Ker könnte auf einen Felsen laufen und leckschlagen. Die Lehrer der Tempelschule könnten irgendeiner schrecklichen Krankheit zum Opfer fallen. Oder der Tempel selbst könnte einstürzen. Doch dieser ketzerische Gedanke erschreckte ihn so sehr, dass er nach der Hand seiner Mutter fasste.
    Die Stadt Hut-Herib lag im Nildelta, zwischen zwei Flussarmen und auf einer Reihe von weitläufigen, flachen Anhöhen, die während des Hochwassers zu Inseln wurden. Östlich davon befand sich eines der größten Anbaugebiete des Landes. Es war so hoch gelegen, dass es mithilfe eines Systems zahlloser, sich kreuzender Kanäle bewässert werden musste. Es war mit Weizen-, Gerste-und Flachsfeldern sowie saftigen Weiden bedeckt. Schatten spendeten Dattel-und Dumpalmen und die weit verbreitete Sykomorenfeige. Die schwüle Luft war erfüllt vom Duft der zahllosen Blüten. In den Bäumen, in und an den Wasserläufen lebten Vögel und alle möglichen anderen Tiere. Hapu wohnte mit seiner Familie am westlichen Rand dieses fruchtbaren Gebiets, während die Stadt selbst zwischen seinem Haus und dem westlichen Flussarm lag.
    Huy hatte noch nicht oft die Schiffe gesehen, die den Fluss befuhren, um Waren und Tribut nach Süden zu bringen, nach Mennofer, ins Zentrum der Macht. Bislang fand sein Vater, er sei zu klein, um mit den Leuten seines Onkels zu den Kais zu gehen. Dort überwachten die Männer das Einladen der Parfüme, die nicht nur an den Königshof geliefert wurden, sondern auch über das Große Grün in ferne Länder. Oder sie warteten darauf, die wertvollen Parfümingredienzien Zimt und Kassia in Empfang zu nehmen, die über das Meer herbeigebracht werden mussten.
    Seine Eltern und er gingen langsam zum Tempel von Chenti-Cheti, gelegentlich nebeneinander, manchmal aber auch hintereinander auf den Deichen, die jedes Jahr vor der Überschwemmung errichtet wurden, um das lebenspendende Wasser und den nicht minder wichtigen Schlamm zurückzuhalten. Der Tag versprach heiß zu werden. Huy, der am liebsten seine Sandalen ausgezogen hätte, weil die Riemen zwischen seinen Zehen scheuerten, beobachtete neidisch die nackten Kinder, die in den vollen Kanälen planschten, während ihre Mütter ihre Wäsche auf die Steine schlugen und sich unterhielten.
    Am Flussarm lagen die Häuser der Reichen, umgeben von hohen Lehmziegelmauern und geschützt von dichten Baumgruppen, deren lange Äste bis über die gestampften Wege hinter den Wohngebäuden hingen. Ker und Heruben hätten es sich leisten können, neben dem Bürgermeister zu wohnen, aber Ker wollte lieber in der Nähe der Blumenfelder leben, denen sein Einkommen entsprang.
    Chenti-Chetis Schrein lag in der Nähe des großen westlichen Flussarms und war eine Oase der Ruhe im Lärm des Morgens. Der heilige Bereich, der von einer Mauer samt Tor umgeben war, bestand aus einem kleinen Rasen mit einer großen Sykomore mitten darauf, einem mit Steinen gepflasterten Weg, der zu der bescheidenen Tempelanlage führte, und der Hütte des Priesters daneben. Es war eine harmonische Anlage, auch wenn kein Pylon vor dem einzigen Hof stand, in dem sich die Gläubigen versammelt hatten, leise miteinander sprachen oder vortraten, um sich vor der Tür des Gottes in den Staub zu werfen.
    Ein einzelner Wächter leitete den spärlichen Besucherstrom, und Huy sah sich interessiert um, als seine Eltern und er die Sandalen auszogen, um barfuß vor dem Priester zu erscheinen. Huy war noch nie hier gewesen. In seinem Elternhaus gab es einen bescheidenen Schrein mit Darstellungen von Chenti-Cheti, Amun und Osiris, den der Vater an den meisten Abenden für kurze Gebete öffnete, doch das hier war etwas ganz anderes. Hier beherbergte die steinerne Figur des Gottes als Krokodil die Seele des Gottes selbst. Dieses Heiligtum
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