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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao
Autoren: Pauline Gedge
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du mir einen Brief schreibst, sobald du das kannst. Mein Name ist Methen. Wirst du das tun?«
    Die Aussicht, nicht nur seinen Namen, sondern gleich einen ganzen Brief schreiben zu können, erschien Huy ebenso unwahrscheinlich wie die, eines Morgens mit Flügeln aufzuwachen, aber er nickte heftig. »Ich verspreche es.«
    »Sehr gut. Wie lautet mein Name?«
    »Du bist Methen, der Chenti-Cheti-Priester in Hut-Herib.«
    Methen lachte. »Ausgezeichnet. Und jetzt werden wir beten.«
    Methen öffnete den Schrein, warf sich vor der Figur darin zu Boden, erhob sich wieder und begann mit dem Dankgebet. Mechanisch wiederholte Huy die Worte, während er das Abbild des Gottes fasziniert betrachtete. Die Chenti-Cheti-Figur war nicht sehr groß, kaum größer als der Priester, wenn sie nicht auf einem Podest gestanden hätte. Die winzigen schwarzen Augen blickten ihn nachdenklich an, die lange Schnauze war leicht geöffnet, sodass eine rote Zunge und weiß bemalte, spitze Zähne zu erkennen waren, die ziemlich bösartig wirkten. Nur zu gern hätte Huy mit dem Finger gefühlt, wie scharf sie waren.
    Als Methen die Gebete beendete, merkte Huy schuldbewusst, dass er die Worte nachgesprochen hatte, ohne sich um ihren Sinn zu kümmern. Der Priester nahm ihm das Räuchergefäß ab. Hastig trat Huy vor, legte den Beutel mit den anstößigen Kegeln vor das Podest, hauchte einen ungeschickten Kuss in Richtung der bemalten Füße und kam wieder zurück. Methen leerte die Reste des Weihrauchs und der Holzkohle vorsichtig in eine Urne, lehnte das Räuchergefäß an die Wand und verbeugte sich vor dem Gott. Dann nahm er Huys Hand, ging mit ihm hinaus und schloss die Türen des Allerheiligsten wieder.
    Das Sonnenlicht im äußeren Hof blendete Huy. Feierlich ging er zu seinen Eltern. »Ich will doch zur Schule gehen«, erklärte er hochmütig. »Ich werde die Geheimnisse von Thot erfahren.« Ihre Blicke suchten Methen, der auf seinem Amtsstab lehnte. Hapu zog die Augenbrauen hoch.
    »Huy und ich hatten ein interessantes Gespräch«, erklärte der Priester. »Über die staunenswerten Dinge in Iunu und die Geschenke, die Thot unseren Vorfahren gemacht hat.« Sein Ton klang ein wenig warnend. »Euer Sohn ist sehr darauf erpicht, beides zu erleben. Ihr könnt sehr stolz auf seinen Eifer sein.«
    Hapu legte ein kleines Knäuel Kupfer in die Hand des Priesters. »Für die Gnade des Gottes«, murmelte er. »Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, Meister, aber wir sind dir sehr dankbar.« Nach einer knappen Verbeugung wandte er sich zum Gehen, Itu und Huy folgten ihm.
    »Wie ist es möglich«, fragte Itu gekränkt, »dass ein Fremder das erreicht und wir nicht? Meinst du, er hat Huy verhext?«
    »Mach dich nicht lächerlich, Itu!«, fuhr ihr Mann sie an.
    »Aber irgendwas hat er gemacht«, flüsterte sie. Schweigend machten sie sich auf den Heimweg.
    Hapsefa hatte im Garten ein Festmahl mit Huys Lieblingsspeisen bereitgestellt. Schüsseln mit Kichererbsen, Melonenschnitzen, Blattsalaten und Gurken standen einladend neben kaltem, gebratenem Inet-Fisch, frischen Datteln und Feigen, soeben gepflückten Trauben und saftigen, süßen Dum-Früchten. Huy stürzte sich auf eine Schale mit gerippten Schoten. »Bak-Kerne! Ist Onkel Ker hier?«
    Hapsefa schlug seine Hand zur Seite. »Natürlich, wie sollten die Samen sonst hierherkommen? Du bist ein merkwürdiges Kind, dass du so wild darauf bist, die beißenden Dinger zu zermalmen! Dein Onkel und deine Tante sind im Obstgarten. Hast du dem Gott eine ordentliche Reverenz erwiesen? Dein Vater hat Ischat auch zu deinem Festessen eingeladen. Sei nett zu ihr, junger Herr. Hier – verscheuch die Fliegen, während du wartest.« Sie warf ihm einen Fliegenwedel zu und eilte davon.
    Eine Weile machte es Huy Spaß, die Fliegen kurz bevor sie sich auf den anvisierten Leckerbissen setzen konnten, in der Luft zu erwischen, aber die Verlockung der Bak-Kerne war zu groß. Sein Mund war noch voll mit dem bittersüßen rettichähnlichen Geschmack, den Kerne wie Schoten aufwiesen, als sein Onkel und seine Tante durch das Tor zum Obstgarten traten.
    »Huy, Liebling! Jetzt bist du vier! Die Götter haben unsere Gebete erhört und dich ein weiteres Jahr beschützt. Gib deiner Tante Heruben einen dicken Kuss!« Gehorsam ließ Huy sich an ihren mit modischem Schmuck behängten Busen drücken, küsste sie auf die Wange und sog ihr Parfüm ein. Seine Mutter hatte ihm erzählt, dass es das seltenste und teuerste Parfüm war, das sein
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