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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf
Autoren: Jack London
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Johnson am sympathischsten, der Matrose, der mich abgerubbelt hatte, nachdem sie mich aus dem Meer gefischt hatten. Seine Offenheit und seine Männlichkeit überzeugten mich auf den ersten Blick. Dazu kamen Bescheidenheit und eine gehörige Portion Mut.
    »Dieser Johnson ist ein Prachtkerl«, meinte auch Louis. »Unser bester Matrose und mein Ruderer. Aber er wird mit Wolf Larsen aneinander geraten, das garantiere ich dir. Irgendwann fällt der Alte über ihn her.«
    Der widerwärtigste Mensch an Bord war Thomas Mugridge. Obendrein zeigte der Kapitän eine Vorliebe für ihn und die beiden unterhielten sich oft miteinander. Doch der Kerl war ein Ekel und seine Kocherei eine einzige Sauerei! Mit Mühe suchte ich mir täglich das aus seinem Fraß heraus, was am wenigsten verdreckt schien.
    Da ich es nicht gewohnt war, zu arbeiten, schmerzten meine Hände sehr. Immer neue Blasen bildeten sich und ich hatte eine große Brandblase am Unterarm. Mein Knie war noch immer geschwollen, denn es kam niemals zur Ruhe.
    Ruhe! Ich träumte davon, einmal eine halbe Stunde stillsitzen zu können. Doch daran war nicht zu denken.
    Im Zwischendeck verschlechterte sich die Stimmung. Sogar eine Schlägerei hatte schon stattgefunden. Smoke hatte beim Abendessen ein blaues Auge und sah gar nicht gut aus. Doch davor war etwas weit Schlimmeres passiert, das die Brutalität dieser Männer deutlich machte.
    In dem sich häufig ändernden Wind musste der Schoner viel kreuzen und ein junger Bursche namens Harrison musste hinauf, um das vordere Gaffeltoppsegel umzusetzen. Da verklemmte sich die Schot im Block am Ende der Gaffel. Johansen rief Harrison zu, er sollte dorthin klettern. Offensichtlich hatte der Junge Angst. Dies war vermutlich seine erste Seereise und achtzig Fuß über dem Deck gab es kaum etwas um sich festzuhalten - nur das dünne, hin und her schwingende Tau. Noch dazu schlingerte die Ghost ohne Ladung in der Dünung.
    Harrison hörte den Befehl, aber er kletterte nur zögernd zum Fall hinaus. Er zitterte am ganzen Körper und kroch ganz langsam, Zentimeter um Zentimeter. Als er sich etwa in der Mitte des Segels befand, neigte sich die Ghost in einem Wellental nach Luv und richtete sich dann wieder auf. Harrison klammerte sich fest, als kämpfte er um sein Leben! Dann verlor er den Halt. Er stürzte herunter, blieb aber zum Glück mit den Füßen hängen. Es gelang ihm, das Fall zu packen. Dort hing er wie ein Häufchen Elend.
    »Ich wette, dem wird heute das Essen nicht schmecken«, meinte Wolf Larsen dazu.
    Harrison war bestimmt am Ende mit seinen Nerven, aber Johansen brüllte ihm zu, er solle den Befehlen nachkommen.
    »Es ist ein Schande«, hörte ich Johnson knurren. »Der Junge bemüht sich, aber so was ist der reinste Mord!«
    Der Jäger Standish wandte sich an Wolf Larsen: »Harrison ist mein Ruderer. Ich will ihn nicht verlieren.«
    »Stimmt«, erhielt er als Antwort. »In deinem Boot ist er dein Ruderer, aber auf meinem Schiff ist er mein Matrose und ich kann mit ihm machen, was ich will.«
    »Aber ...«
    »Und wenn es mir passt, dann kann ich ihn als Suppeneinlage verspeisen!«
    Die Augen des Jägers sprühten Funken. Wie alle anderen blickte er hinauf zu Harrison, der mit dem Tod rang. Johansen brüllte ihn an und verhöhnte ihn, doch es dauerte noch volle zehn Minuten, bis der arme Kerl sich wieder rührte. Er machte die Schot klar und hätte jetzt am Fall entlang zum Mast zurückklettern können. Aber er war völlig außer sich, starrte voller Panik erst auf die luftige Strecke, die vor ihm lag, und dann hinunter aufs Deck. Wolf Larsen unterhielt sich mit Smoke und beachtete den Jungen nicht mehr. Doch den Mann am Steuerrad schnauzte er an: »Halt gefälligst den Kurs oder es gibt Ärger!«
    »Ja, Sir.« Der Steuermann drehte am Rad. Er hatte den Kurs um ein paar Strich geändert, damit der Wind das Vorsegel prall hielt und der arme Harrison zurechtkam.
    Die Minuten verrannen. Während die Spannung an meinen Nerven zehrte, amüsierte sich Thomas Mugridge und machte dämliche Witze. Ich hätte ihn würgen können!
    Nach fast einer halben Stunde schob Johnson Louis, der ihn zurückhalten wollte, zur Seite und überquerte das Deck. Er sprang in die Takelage und kletterte aufwärts. Doch Wolf Larsens schneidende Stimme rief: »He, Mann, was hast du vor?«
    Johnson hielt inne und sah dem Kapitän in die Augen. »Ich werde den Jungen da runterholen.«
    »Du kommst zurück, und zwar sofort, verstanden?«
    Johnson zögerte,
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