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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf
Autoren: Jack London
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Bücherwurm gewesen. Als ich ein einziges Mal zum Zelten gefahren war, hatte ich meine Freunde sofort wieder verlassen, um in die Behaglichkeit meines Zimmers zurückzukehren. Jetzt aber lag ich in dieser Koje mit der schrecklichen Aussicht auf endloses Tischdecken, Kartoffelschälen und Abwaschen. Und mein Körper war schwach, untrainiert, absolut ungeeignet für das raue Leben, das mir hier bevorstand.
    Ich sann auch über den Gram meiner Mutter und meiner Schwestern nach. Sie mussten der Ansicht sein, dass ich mich unter den nicht geborgenen Opfern der Martinez befand.
    Unterdessen kämpfte sich die Ghost durch wogende Wellenberge und schäumende Täler immer weiter hinein in das Herz des Pazifischen Ozeans. Ich konnte den Wind hören. Füße trampelten über meinem Kopf. Unaufhörlich ächzte und knarrte das Gebälk. Die Jäger stritten sich noch immer und brüllten herum wie Halbaffen. Die Luft war erfüllt von Flüchen und unanständigen Ausdrücken. Die Kojen wirkten wie Käfige. Stiefel und Ölzeug hingen an den Wänden, auf den Regalen lagen Flinten und Büchsen. So ähnlich musste es auf einem Piratenschiff aussehen.
    Ich konnte nicht schlafen. Es war eine lange, unendlich lange Nacht.

Doch die erste Nacht mit den Jägern im Zwischendeck war auch meine letzte. Am nächsten Tag wurde Johansen, der neue Steuermann, von Wolf Larsen zum Schlafen dorthin geschickt, während ich seine winzige Einzelkabine in Besitz nehmen durfte. Der Grund für diesen Wechsel wurde den Jägern bald klar und sie begannen zu murren. Offensichtlich erlebte Johansen jede Nacht im Schlaf die Ereignisse des Tages noch einmal. Sein ständiges Gerede und das Schreien von Befehlen waren Wolf Larsen zu viel geworden, sodass er den Lärm auf die Jäger abschob.
    Nach dieser schlaflosen Nacht erhob ich mich schwach und von Schmerzen geplagt, um mich durch meinen zweiten Tag auf der Ghost zu quälen. Um halb fünf scheuchte Thomas Mugridge mich auf. Dabei machte er einen solchen Lärm, dass einer der Jäger einen schweren Schuh nach ihm warf, der ihn am Ohr traf. Es schwoll heftig an und diese Schwellung ging nie wieder ganz zurück, sodass es fortan von den Seeleuten »Blumenkohlohr« genannt wurde.
    Der Tag bescherte mir einen Verdruss nach dem anderen. Als Erstes wechselte ich die Klamotten des Kochs mit meinen eigenen getrockneten Kleidern. Ich sah nach meiner Geldbörse. Neben einigem Kleingeld hatte es hundertfünfundachtzig Dollar in Gold und Papier enthalten. Jetzt befanden sich nur noch ein paar kleine Silbermünzen darin. Ich sprach den Koch darauf an und war auf eine mürrische Antwort gefasst, doch die angriffslustige Rede, die nun folgte, hatte ich nicht erwartet.
    »Pass auf, Hump!« Seine Augen blitzten bösartig. »Willst du, dass ich dir eins auf die Nase haue? Wie kannst du behaupten, dass ich ein Dieb bin? Sieht so deine Dankbarkeit aus?« Er steigerte sich immer mehr in seine Wut hinein. »Da kommt so ein elender Kerl daher und ich nehme ihn unter meine Fittiche. Was habe ich davon? Beim nächsten Mal kannst du zur Hölle fahren, jawohl!«
    Er ging mit den Fäusten auf mich los. Ich wich seinen Schlägen aus und flüchtete aus der Kombüse. Was hätte ich sonst tun sollen? Aber ich schäme mich immer noch, wenn ich daran zurückdenke. Das Rennen verursachte mir furchtbare Schmerzen in meinem Knie und ich brach hilflos am Heck zusammen. Immerhin hatte der Koch mich nicht verfolgt.
    »Schaut mal, schaut doch mal«, hörte ich ihn brüllen, »wie der mit seinem Bein laufen kann! Komm zurück, Schätzchen, ich werde dich nicht verhauen.«
    Dann verrichtete ich meine Arbeit. Ich deckte den Frühstückstisch und um sieben bediente ich Jäger und Offiziere. Der Sturm hatte sich etwas gelegt. Die Segel waren wieder gehisst und die Ghost schoss über den Ozean. Wolf Larsen wollte den Wind so gut wie möglich nützen, der ihn nach Südwest trieb. Mit Hilfe des Nordostpassats hoffte er den größten Teil der Strecke nach Japan zu bewältigen, indem er zuerst in Richtung Tropen steuerte und dann wieder nördlich, sobald er sich Asien näherte.
    Nach dem Frühstück hatte ich das nächste schlimme Erlebnis. Als ich das Geschirr abgewaschen hatte, säuberte ich den Herd und trug die Asche nach draußen. Wolf Larsen und Henderson unterhielten sich in der Nähe des Steuerrads. Johansen steuerte. Als ich auf die Wetterseite zuging, bewegte er seinen Kopf. Ich nahm an, es sei ein Gruß, doch in Wirklichkeit wollte er mich warnen, die Asche
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