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Der Schwur des Piraten

Der Schwur des Piraten

Titel: Der Schwur des Piraten
Autoren: Matteo Mazzuca
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umzudrehen.
    »Welche Grünschnäbel meintest du vorhin?«
    »Keine Ahnung! Ich habe auf diesem verdammten Schiff eine Menge Grünschnäbel kommen und gehen sehen.«
    »Du lügst! Wie viele Jungen wie ich waren darunter?«
    Goldmerry schwieg einen Augenblick und musterte Spinn. »Suchst du einen ganz bestimmten?«, fragte der Alte.
    »Wen soll ich schon suchen?«, antwortete Spinn rasch. »Ich hab ja nur gefragt.«
    Da unterbrach sie Yellowbeard: »Spinn! Beweg jetzt endlich deine knochigen Arschbacken!«

    Damals war Spinn noch keine vier Jahre alt gewesen. Es war schon seit einer ganzen Weile dunkel und draußen pfiff ein eisiger Wind. Er hatte noch keine Lust, ins Bett zu gehen. Er wollte vorher von seinem Bruder noch eine Geschichte hören, nur noch eine.
    Die beiden waren Waisen. Ihr Vater war in einem Novembersturm mit seinem Fischerboot gekentert und ertrunken. Nur einen Monat später, am Weihnachtsabend, war ihm die Mutter ins Grab gefolgt. Sie war eine gebrechliche Frau und konnte den Schmerz über den Tod ihres Mannes nicht ertragen.
    Trotz dieses großen Unglücks war die Lage für die beiden Jungen nicht ganz hoffnungslos. Die Leute im Dorf hatten den Brüdern nach dem Tod der Eltern geholfen und Cromwell und die Burn, die beide nicht eben für ihr weiches Herz berühmt waren, ließen sie sogar ab und zu im Wirtshaus schlafen.
    Auch an jenem Abend waren sie in der Schenke. Und während sich Cromwell um den Abwasch kümmerte und die Burn damit beschäftigt war, ihre mottenzerfressenen Socken zu flicken, lauschte Spinn fasziniert und mit weit aufgerissenen Augen den Geschichten seines Bruders.
    In der Schenke war es friedlich, draußen aber wütete ein teuflischer Sturm, und so bemerkte keiner von ihnen, was in den Gassen vor sich ging. Als sie das Geschrei der Plünderer schließlich hörten, war es zu spät.
    Es half nichts, die Türen und Fenster zu verriegeln. Die Piraten sprengten sie auf und Cromwell musste von seinem Versteck hinter der Theke hilflos mit ansehen, wie sie seine Schenke ausraubten.
    Spinn kauerte sich in eine Nische und war starr vor Angst. Sein Bruder hatte sich schützend vor ihn gesetzt. Eine halbe Ewigkeit schien zu vergehen, während die Piraten in aller Seelenruhe schlemmten. Als ihre Bäuche und Taschen voll waren und sie gerade aufbrechen wollten, bemerkte der Anführer Spinns Bruder. Er musterte ihn mit einem zufriedenen Grinsen und befahl: »Nehmt ihn mit!«
    In jener einsamen Nacht schwor sich der kleine Spinn eines hoch und heilig: Er würde Pirat werden und seinen Bruder wiederfinden.

Ausbildung

    Spinn war noch mit dem Scheuern der Dielen beschäftigt, als er Schritte auf sich zukommen hörte.
    »Pass auf!«, warnte ihn die tiefe Stimme O’Fires.
    Blitzschnell drehte sich Spinn um, gerade noch rechtzeitig, um den Degen aufzufangen, den der Schotte ihm zuwarf.
    »Donnerwetter, Junge! Gute Reaktion!«
    Fassungslos blickte Spinn auf den Degen in seinen Händen und auf dessen wohlgeschärfte Klinge. »Und wenn ich mich nicht rechtzeitig umgedreht hätte?«, fragte er mit zitternder Stimme.
    »Wir Piraten stehen immer mit einem Bein im Grab«, erwiderte O’Fire trocken. »Wenn du als Seeräuber nicht gleich beim ersten Angriff draufgehen willst, musst du Augen und Ohren offen halten und stets bereit sein, dich zu verteidigen.«
    Kaum hatte der Schotte ausgesprochen, zückte er einen weiteren Degen und griff an. Spinn blieb vor Schreck wie angewurzelt stehen. Im nächsten Moment spürte er die Klinge kühl und scharf an seinem Hals.
    »Zum Teufel, wehr dich doch! Wenn ich ein Feind wäre, hätte ich dich jetzt kaltgemacht.«
    »Du hast mich ja nicht mal gewarnt!«, protestierte Spinn.
    »Natürlich nicht! Ich bin Pirat! Glaubst du denn, deine Gegner schütteln dir erst mal gemütlich die Hand, bevor sie auf dich losgehen?«
    »Also dann«, erwiderte Spinn mit dem Mut der Verzweiflung, machte einen Satz nach hinten und fuchtelte mit seinem Degen wild in der Luft herum.
    Von O’Fires Haupt segelten ein paar rote Löckchen zu Boden.
    »Bist du Pirat oder Friseur?« Der Schotte lachte und startete einen neuen Angriff.
    Diesmal wehrte Spinn den Schlag ab, doch sein Degen brach unter der Wucht des Hiebs entzwei. O’Fire grinste.
    Spinn starrte ungläubig auf die Parierstange, die er noch fest umklammert hielt. »Wie hast du das gemacht?«
    »Mein lieber Spinn, die Klinge eines Degens ist von der Parierstange bis zur Spitze nicht überall gleich. Wenn du die stärksten Schläge
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