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Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Titel: Der schwarze Schwan von Scheckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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dem silbernen Glöckchen die Schweigezeit ein. Sie diente der Sammlung und Konzentration auf die anschließende Ansage des Schulkapitäns.
    Endlich hatte Stephan Ruhe vor Dampfwalze und Wolfs Geschwätz. Genüßlich löffelte er seine Turbosuppe, wie die Ritter Rhabarberkompott nannten, da klickte das alte Ziehschloß der Eßsaaltür. Alle drehten die Köpfe. Heini, der Koch, der sich während des Essens nie blicken ließ, stand da, die Hand auf dem Knauf, und rief: „Stephan wird am Telefon verlangt. Von Rosenfels.“
    Wie beim Tennis ruckten die Köpfe in die Gegenrichtung.
    Stephan konnte über die gehäuften Notlagen nur noch lachen. Gemächlich stand er auf, grinste aus seinem Pyjama zu Ottokar hinüber, zu Wolf und Dampfwalze, und verließ unter Spießrutenblicken den Saal.
    Sollen sie denken, was sie wollen! dachte er. Ist ja nicht das erste Mal, daß einer von drüben angerufen wird. Reine Privatsache. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig.
    Der Zeitpunkt für den Anruf war gut gewählt. Ohne die Klamottenlüfterei wäre das Essen längst beendet gewesen. Das konnte Beatrix nicht ahnen. Sie bedauerte, ihn vom Tisch weggeholt zu haben, aber sie mußte ihn sprechen, mußte ihm danken, daß er sie noch hinüberbegleitet hatte, nach der langen Nacht im Kabuff, und für die trockenen Sachen, die heiße Bouillon und überhaupt. Und, damit sie’s nicht vergesse: Den Mädchen habe sie gesagt, sie hätte sich zuerst endlos verstecken müssen und sich dann im Regen verfahren. Einzelheiten werde sie ihm noch berichten. Wie denn die Ritter reagiert hätten, wollte sie wissen, und wann man sich wiedersehe. Es gebe so viel zu erzählen.
    Auch er war dafür, das Gespräch persönlich weiterzuführen, denn durchs Fenster der Zellentür grinste Dampfwalze herein.
    Dieses Mastschwein!
    In die Sprechmuschel bestätigte Stephan, bei ihm habe alles geklappt, aber Beatrix glaubte ihm nicht so recht, weil er plötzlich leiser und schneller sprach.
    Der Muskelprotz wich nicht von der Stelle. Wolf gesellte sich dazu und noch einige Ritter. Schließlich wurde es Stephan zu dumm. Die Hand gegen Mithören an der Sprechmuschel, entwickelte er einen Plan, der ihn aus seiner Zwickmühle befreien sollte, ohne daß er Dampfwalze dem Gespött der Ritter preisgab. Er redete ziemlich lang, zeigte für die Gaffer draußen eine heitere Miene und redete weiter, als Beatrix am anderen Ende schon gar nicht mehr zuhörte. Endlich schien er zum Schluß gekommen zu sein. Er öffnete die Tür und sagte: „Gut, daß du dabist. Ingrid möchte dir was Wichtiges sagen.“
    Dampfwalze hatte Schaltpause. Sein Mund stand auf Durchzug, und es dauerte, bis er den Hörer nahm, in die Zelle trat und die Tür zuzog.
    Jetzt blieb Stephan am Fenster.
    Wolf konnte seine Neugier nicht länger bezähmen. „Was wollte Ingrid denn? Und was will sie von Dampfwalze?“
    Liebevoll, wie einem kleinen Kind, lächelte Stephan ihm zu. „Wenn du mal groß und stark bist, fragst du sie am besten selber!“
    Dampfwalze drinnen zeigte nach einem Startlächeln keine heitere Miene, im Gegenteil. Er schaute immer dämlicher drein.
    Es war tatsächlich die von ihm hochgeschätzte Ingrid – Beatrix hatte sie eigens geholt –, und sie ließ ihn wissen, er sei noch mal gut weggekommen. Der Streich habe ursprünglich ihm allein gegolten, wegen seines trefflichen Geruchssinns. Sie hätten eigens ein Plakat gemalt, wären aber nicht mehr dazugekommen, es an seine Schranktür zu heften. Bächles Schauerdüfte derart zu loben, sei ja wohl das Letzte!
    Die Ritter vor der Tür störten ihn maßlos. Schwerfällig kam er herausgekrochen und wußte gar nicht, wohin er schauen sollte. Ersatzweise wurde er pampig. „Glotzt nicht so! Man wird ja noch telefonieren dürfen! Reine Privatsache.“
    Freundlich nickte Stephan ihm zu. „Genau. Das betrifft dich ganz allein.“
    Wie ein fetter Karpfen glotzte der Muskelprotz. Jetzt wußte er, daß Stephan es wußte, ihn aber nicht verraten hatte.
    Auch Stephan kam zu unerwarteter Einsicht: Hab ich überreagiert auf die Frotzelei? fragte er sich. Ich muß denen ziemlich humorlos vorgekommen sein. Ich wollte nicht, daß sie das mit Beatrix erfahren. Nun ja – jetzt gibt es wohl Ruhe!
    Die umstehenden Ritter wandten sich ab. Privatsachen interessierten sie nicht. Sie hatten auf neue Streiche gehofft. Jetzt trabten sie in ihren Schlafanzügen zu einer Gruppe, die sich, laut durcheinander redend, im Westflügel um einen Schrank drängte. Die beiden
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