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Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Titel: Der schwarze Schwan von Scheckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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Treppe, im Winkel zwischen Süd- und Westflügel, in die Telefonzelle. Ohne jemandem zu begegnen, erreichte er das Portal im Nordflügel, das nur in Ausnahmefällen abgeschlossen wurde, eilte hinaus in den Regen, über Treppe und Burghof und räusperte sich, als er unter das Kreuzgewölbe trat. Aus der Ecke kam ein langgezogenes „Ssssst!“
    Sie tasteten sich zusammen.
    „Endlich!“ Beatrix umklammerte seine Hand und folgte ihm.
    Im Nordflügel trat das ein, was nachts immer geschehen konnte. Sie hatten gerade das Portal geöffnet, da wankte aus dem nächstliegenden Zimmer ein schlaftrunkener Ritter, um einem drängenden Bedürfnis nachzugehen. Stephan schob Beatrix hinter die schwere Tür und blieb stehen.
    Auch der Ritter hielt inne. Die kühle Nachtluft, die hereinwehte, machte ihn stutzig.
    „Ausgerechnet der neugierige Wolf! dachte Stephan. Wenn der Beatrix entdeckt…
Da kam schon die Frage: „Was tust du denn hier?“
    „Na was wohl?“ fragte Stephan barsch dagegen. „Regentropfen zählen.“
    „Regentropfen zählen?“ Mit argwöhnischem Blick trat Wolf näher.
    „Das beste Mittel, wenn man nicht einschlafen kann“, alberte Stephan.
    Wolf drehte den Kopf hin und her und schnupperte herum. „Mann, was stinkt denn da so? Bist du das?“ Jetzt half nur die Flucht nach vorn. Stephan erzählte ihm von dem Duftangriff und der erfolglosen Verfolgung. Er lüfte noch ein wenig nach, was er in seiner Notlage ja tatsächlich tat. Dabei hielt er die schwere Tür eisern fest. Wolf trat an seinen Schrank, schnupperte hinein und schimpfte: „Diese blöden Hühner!“ Er ließ ihn offen und schlurfte den Flur entlang zu der Tür an der Ecke zum Westflügel.
    Kaum war er verschwunden, griff Stephan nach Beatrix’ Hand, rannte mit ihr durch Nord- und Westflügel, bis zur öffentlichen Telefonzelle neben der kleinen Treppe. Beim Öffnen der Tür drang süßlicher Mief heraus. Beatrix kicherte.
    Er schob sie hinein und flüsterte: „In der Tüte sind trockene Sachen! Ich bin gleich wieder da.“ Er nahm ihr die Taschenlampe ab, schloß die Tür, lehnte sich dagegen und atmete erst einmal durch. Zum Glück, wie er feststellte. Am anderen Ende des Korridors sah er im schwachen Schein der Nachtbeleuchtung, wie Wolf auf dem Rückweg in den Nordflügel verschwand.
    Mann! Stephan nickte vor sich hin. Beatrix hat recht. Das ist tatsächlich wie ein Streich im Streich!
    Nicht übermäßig leise, weil das auffallen konnte, trat er in sein Zimmer. Dem mehrstimmigen Schnarchen nach war keiner wach. Im Dunkeln legte er die Taschenlampe auf sein Klappbett und öffnete eine der drei Schubladen, da gab Ottokar ein kurzes Grunzen von sich und fragte: „Hast du sie gefunden, deine blöde Lampe?“
    Was denkt Ottokar jetzt? überlegte Stephan. Daß ich sauer bin? Stimmt auffallend. Aber typisch bester Freund: als ob er spürt, daß ich was vorhabe…
    Was er noch brauchte, befand sich glücklicherweise draußen in seinem Schrank. Im Duschraum holte er Wasser und kehrte, ohne einem weiteren Ritter zu begegnen, zur Telefonzelle zurück.
    „Jetzt machen wir’s uns gemütlich. Komm!“
    Stephan öffnete die Klappe hinter der kleinen Treppe und kroch hinein. Beatrix folgte ihm. Sie hatte sich umgezogen und schloß die von innen gepolsterte Tür.
    Das sogenannte Kabuff war mit einer Matratze ausgelegt. Es gab Kissen, einen Hocker als Tisch und elektrisches Licht.
    Während Stephan den Kocher anschloß und füllte, legte sie ihre nassen Klamotten vor den Heizofen, drehte das Gebläse auf und strahlte.
    „So läßt sich’s leben!“ Ihr Ausdruck wurde nachdenklich. „Wenn uns jemand hört…“
    „Kannst ruhig laut reden“, beschwichtigte er sie. „Absolut schalldicht. Hab ich selber gemacht.
    Bequem zurückgelehnt, die Beine erhöht gegen die Wand gestemmt, saßen sie nebeneinander und schlürften heiße Bouillon. Mit zunehmender Wärme entfaltete die Sprühessenz auf seinem Pullover, den sie trug, ihr billiges Aroma.
    „Hoffentlich riecht man uns nicht!“ alberte Beatrix.
    Belustigt hob Stephan den Zeigefinger: „Wer andern einen Duft verpaßt, stinkt selbst danach!“
    „Eigentlich ging das nur gegen Dampfwalze“, antwortete sie und erzählte, wie es zu dem mißglückten Streich gekommen war.
    Mückes Schwester Ingrid, Schülerin auf Rosenfels und ihrem Bruder an Schlagfertigkeit nicht unterlegen, war kürzlich bei Friseurmeister Bächle in Wampoldsreute zum Haareschneiden gewesen. Bei dieser Gelegenheit hatte sie der
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