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Der schwarze Korridor

Der schwarze Korridor

Titel: Der schwarze Korridor
Autoren: Michael Moorcock
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hämmerte gegen die Wand.
    Aber die Musik spielte weiter.
     
     
     
Kapitel 3
     
    Ryan hat seine Übungen gemacht, hat gebadet, sich angezogen und gefrühstückt. Er hat seine Kabine verlassen, ist den Gang in Richtung Hauptkontrollraum entlanggegangen. Er hat die Koordinaten und sämtliche Apparate überprüft. Er setzt sich an das Steuerpult unter dem großen Bildschirm, der kein Bild zeigt. Um ihn herum spielen unaufdringlich die Zeiger und Lichter der Kontrollinstrumente.
    Ryan nimmt aus einem Fach das schwere, rotgebundene Log buch. Das altmodische Logbuch zu benutzen, beflügelt sein Gefühl von Entdeckergeist. Es gibt ihm ein Gefühl historischer Größe und ist gleichzeitig ein Bindeglied zu den großen Kapitänen und Entdeckern der Vergangenheit. Das Logbuch ist Ryans Gedicht.
    Er schreibt das Datum: 25. Dezember 2006 n. Chr. und unterstreicht es. Er schreibt den ersten seiner Achtstundenberichte:
    »Tag Nummer eintausendvierhundertvierundsechzig. Raumschiff ›Hope Dempsey‹ auf dem Weg nach München 15040. Geschwindigkeit konstant bei 9 von c. Alle Systeme funktionie ren erwartungsgemäß. Keinerlei Abweichungen. Alle Insassen sind bei guter Gesundheit.«
    Ryan unterschreibt den Bericht und verliest ihn in das Aufnah megerät; damit ist sein Bericht auf dem Weg zur Erde.
    Er liebt es, diese Routine zu variieren. Deshalb wird er seinen nächsten Bericht erst mündlich machen und ihn dann aufzeich nen. Ryan steht auf und überfliegt die Kontrollen. Er freut sich, daß alles in Ordnung ist.
    Seit dem Abflug der ›Hope Dempsey‹ vor drei Jahren hat Ryan an Gewicht verloren und, trotz seiner Behandlung mit der Höhensonne, auch an Farbe. Ryan trainiert sich und ißt gut und ist, relativ gesehen, in bester Form für jemanden, der so lange Zeit mit zwei drittel der Erdschwere lebt. Auf der Erde wäre es zweifelhaft, ob er hundert Meter laufen könnte oder einen Tisch von einer Seite eines Raumes zur anderen bewegen könnte. Sei ne Muskeln sind beschäftigt, aber sie haben vieles vergessen.
    Auch Ryans Gehirn, grundsätzlich unverändert, hat einiges vergessen. Aber Ryan hat seinen Willen. Sein Wille hält ihn bei der ausgeklügelten Routine, die das Schiff und seine Bewohner zu dem neuen Stern führen soll. Dieser Wille ist es, der Ryan das Raumschiff, seine Instrumente und seine Besatzung bereits drei Jahre zusammenhält und für weitere drei Jahre zusammenhalten wird.
    Ryan vertraut seinem Willen.
    Darüber schreibt er. Im inoffiziellen und privaten Teil des roten Logbuchs, dem Teil, der nie zur Erde berichtet wird:
    Heute ist Alex’ zehnter Geburtstag. Ein weiterer Geburtstag, der ihm fehlen wird. Das ist deprimierend. Aber das ist das Opfer, das wir uns selbst und anderen bringen müssen, wenn wir versuchen, ein besseres Leben für uns zu finden. Ich selbst sehne mich mehr und mehr nach meiner lieben Frau und meinen Kindern und den anderen Freunden und Gefährten. Funksprüche von der Erde erreichen uns nicht mehr und bald werde ich nur noch mit meinen Fernsehbändern, Tonbändern und Büchern als Weggenossen auskommen müssen. Aber all das muß sein, wenn wir dieses Experiment zuende bringen wollen. Etwas so Wertvolles gewinnen zu wollen, verlangt Ausdauer und eiserne Disziplin. In drei Minuten wird es Zeit, mich meinen Aufgaben zu stellen, zu denen ich mich zwar zwingen muß, die aber notwendig sind. jeden Tag überfällt mich das gleiche Widerstreben, weil ich weiß, wie mich diese Pflichten erschöpfen, und doch werde ich nicht nachlassen, sie pünktlich zu erfüllen. Ich werde tun, was ich zu tun habe.
    Ryan schließt das Buch, stellt es in das Fach zurück, steckt seinen Stift ein und steht auf. Ein Blick gilt den Instrumenten, dann verläßt er mit festem Schritt den Raum.
    Er geht den metallischen Zentralkorridor entlang. Am Ende ist eine Tür. Die Tür ist verschlossen. Ryan betätigt einen Knopf, und die automatischen Sicherungen werden gelöst. Ryan öffnet die Tür und verharrt einen Moment auf der Schwelle.
    Es ist ein kleiner Raum, dessen Beleuchtung beim Öffnen der Tür automatisch aufflammt.
    Der Raum ist bis auf dreizehn lange Behälter leer.
    Einer der Behälter ist leer. Plastiktücher umhüllen die zwölf vol len Behälter zu zwei Dritteln. Durch das halbdurchsichtige Material am restlichen oberen Ende kann man in den Behältern eine dicke grüne Flüssigkeit sehen, und darin wieder erkennt man die Gesichter und Schultern der Passagiere.
    Die Passagiere befinden sich im Tiefschlaf
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