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Der schwarze Korridor

Der schwarze Korridor

Titel: Der schwarze Korridor
Autoren: Michael Moorcock
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»Lieber Gott, laß es nicht wahr sein, daß das die Sorte von Nachbarn ist, die du uns beschert hast.«
    »Solltest du nicht besser …?«
    »Was?«
    »Könntest du …?« Sie war verwirrt.
    »Du meinst …?«
    »… hingehen und mit ihnen sprechen?«
    »Nun ich …« er schüttelte sich. »Ich glaube, diesmal hämmere ich nur gegen die Wand.«
    Langsam zog er seinen Schuh aus. »Denen werd’ ich’s zeigen.« Er ging zur Wand, klopfte mit Macht dagegen, trat zurück und wartete mit dem Schuh in der Hand.
    Die Musik brach ab.
    Er grinste. »Das war’s.«
    Frau Ryan holte tief Luft und sagte: »Ich packe jetzt besser die Sachen aus.«
    »Ich helf dir«, sagte Ryan.
    Zusammen packten sie die Überbleibsel ihrer Flitterwochen aus – die Sonnencremes, die Badesachen, die Mitbringsel für ihre Eltern.
    Sie schwatzten und lachten, als sie die einzelnen Dinge herausholten, aber insgeheim wurden sie traurig, als ein Teil nach dem anderen beiseite gelegt wurde. All die Erinnerungen an die drei sonnigen Wochen auf einer unbewohnten Insel, wo man endlich von jeglicher Beobachtung befreit gewesen war, jedem Lärm und den Forderungen der anderen Leute. Der Koffer war leer.
    Ryan faßte in eine wasserdichte Tasche und holte die Filme, die sie gemacht hatten, heraus. Er holte den Vorführapparat, und sie gingen ins Wohnzimmer, um die Filme über ihren Fernsehapparat abzuspielen. In völliger Stille betrachteten sie die Filme und verschlangen die gezeigten Landschaften. Da waren die Berge, die weite blaue Wasserfläche und die Heide.
    Es gab fast keine Aufnahmen von Ryan oder seiner Frau. Dafür viele von den stillen Buchten, der See und den Mooren der Insel, auf der sie so glücklich gewesen waren.
    Ein Vogel schrie.
    Etwas verwackelt schwenkte die Kamera auf den wolkigen Himmel. Ein Seeadler wurde von der Linse eingefangen. Im Hintergrund hörte man das Geräusch von Brechern.
    Dann war der Film zuende.
    Frau Ryan schaute ihren Mann mit Tränen in den Augen an.
    »Dorthin müssen wir bald wieder fahren«, sagte sie.
    »Ganz bald«, meinte er lächelnd.
    Und der chinesische Jazz, so laut wie zuvor, hallte durch den Raum.
    Die Ryans saßen erstarrt vor ihrem Fernsehschirm.
    Ryan biß sich auf die Lippen. »Gott verdammt, ich werde …« Er stand auf . »Ich werde sie umbringen. Es gibt Gesetze.«
    Frau Ryan nahm seine Hand. »Du mußt nicht mit ihnen sprechen. Schieb ihnen eine Nachricht unter der Tür durch. Warne sie. Sie müssen doch die Lärmverhütungsgesetze kennen. Du kannst auch dem Aufseher schreiben.«
    Ryan strich sich das Kinn.
    »Sag ihnen, daß sie schwer bestraft werden können. Wenn sie vernünftig sind, werden sie …«
    »Schon gut. Diesmal werde ich es so machen. Das nächste Mal – wirklich – werde ich anklopfen und mit ihnen sprechen.«
    Er ging ins Wohnzimmer, um die Nachricht zu schreiben. Frau Ryan machte Tee.
    Der chinesische Jazz spielte weiter und weiter. Ryan schrieb mit kurzen, eckigen Bewegungen.
    … und teile Ihnen mit, daß ich mich genötigt sehe, die Polizei einzuschalten, wenn der Lärm anhält. Ich habe außerdem den Aufseher informiert. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie nach Absatz 7 des Lärmverhütungsgesetzes von 1978 schwere Strafen zu erwarten haben.
    Er las den Brief noch einmal. Er war etwas pompös. Er zögerte. Sollte er …? Nein, das würde es tun. Er beendete den Brief und verschloß ihn, als seine Frau mit dem Teewagen ins Wohnzim mer trat. »Ob das wohl reicht?«
    Plötzlich brach die Musik abrupt ab. Ryan schaute seine Frau an und lachte. »Vielleicht ist das die Antwort.«
    Auch Frau Ryan lächelte.
    »Ich glaube, du wirfst den Brief am besten in ihren Briefkasten«, sagte Ryan.
    Erschrocken setzte Frau Ryan die Teekanne auf den Tisch. »Aber was soll ich tun, wenn ich ihnen begegne?« Sie nickte in Richtung der Nachbarn.
    »Sie natürlich völlig ignorieren. Sie würden wohl auch kaum versuchen, ein Gespräch zu beginnen. Du kannst jeden, den du draußen triffst, übersehen. Wenn wir erst damit anfangen, Kontakte zu den Leuten im Block zu pflegen, werden wir keinerlei Privatleben mehr haben.«
    »Das ist genau, was Mutter auch immer sagt«, sagte Frau Ryan.
    Sie nahm den Brief und ging aus der Wohnung.
    Ryan hob den Kopf, als er durch die geöffnete Türe aus dem Hausflur eine andere Stimme hörte. Es war die freundliche Stimme einer Frau. Er hörte seine Frau etwas murmeln, hörte ihre Fußtritte, als sie hastig eintrat und die Wohnungstür zuschlug.
    »Was in
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