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Der schwarze Korridor

Der schwarze Korridor

Titel: Der schwarze Korridor
Autoren: Michael Moorcock
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Entschuldigung. Ryan versuchte zu vermitteln und lächelte Isabel an.
    »Du hast ganz recht, vorsichtig zu sein«, sagte er.
    Alle wußten aus Isabels Verhalten, daß Isabel eine Phase durchmachte, in der sie glaubte, man wolle sie vergiften. Sie aß und trank nichts, was sie nicht selbst zubereitet hatte. Die meisten von ihnen wußten, wie das war. Sie hatten selbst einmal oder öfters das gleiche durchgemacht. Das Beste war, einfach darüber hinwegzusehen. Immerhin gab es einige, die fest daran glaubten. Sie alle kannten Männer und Frauen, die sich einbildeten, vergiftet worden zu sein und die dann auch eines unerklärlichen Todes starben.
    »Einer von uns sollte an der nächsten Versammlung der Patrio ten teilnehmen«, sagte Ryan. »Es wäre interessant zu erfahren, was sie vorhaben.«
    »Das ist gefährlich«, sagte John Ryan.
    »Ich würde es trotzdem gerne wissen, man soll versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir müssen erfahren, was sie wirklich sagen.«
    »Dann laßt uns alle zusammen hingehen«, sagte James Henry. »In der Gruppe ist der einzelne am sichersten.«
    Seine Frauen sahen ihn erschrocken an.
    »Es wird Zeit, das Fernsehen anzuschalten. Heute wird die Regierung gestürzt.«
     
    Sie sahen den Parlamentsdebatten zu und hörten das Geschrei und die Rufe von der Straße. Sie hörten, wie eine Gruppe mit Trommeln und Pfeifen die Straße heraufzog, aber sie sahen dem Fernsehen zu, bis der Präsident vor dem Abgeordnetenhaus seinen Rücktritt anbot.
     
     
     
Kapitel 5
     
    In dieser Nacht gab es in der ganzen Stadt Ausschreitungen und Brände. Die Ryans und ihre Freunde saßen bei geschlossenen Fensterläden und sahen sich die Zerstörung im Fernsehen an. Die Stadt wurde demoliert und zertrümmert, und allenthalben floß Blut.
    Sie tranken ihren Kaffee und aßen ihren Kuchen, sahen, wie Menschen von der Polizei niedergeknüppelt wurden, sahen, wie Jungen und Mädchen von Polizeihunden angefallen wurden, hörten die Sirenen der Polizei und die Hupen der Feuerwehren, die die Feuer unter Kontrolle zu bringen versuchten.
    Die Ryans und ihre Freunde hatten in ihrem Leben viele Ausschreitungen und manches Feuer gesehen, aber noch nie so ein Chaos. Sie sahen sich voller Schrecken an. Aber als das Programm fortfuhr, eine Scheußlichkeit nach der anderen zu zeigen, wurden sie ruhiger. Erst als Frau Ryan sah, wie ihr Lieblingsgeschäft in Flammen aufging, legte sie den Kopf auf die Arme und weinte. Vierzehn Jahre war sie nun verheiratet. Seit vierzehn Jahren ertrug sie die Launen und Wünsche ihres temperamentvollen Ehemannes. Sie hatte Kinder großgezogen, hatte ihre Furcht vor anderen Leuten, vor dem Draußen bekämpft und hatte fast alle Entscheidungen für die Familie getroffen. Sie hatte ihr Bestes gegeben.
    Nun weinte sie.
    Ryan war erstaunt.
    Er ging zu ihr, streichelte sie und versuchte, sie zu beruhigen, aber sie weinte weiter.
    Vor ihnen zersplitterte Glas auf den Straßen. Die Menge wogte und schrie. Und selbst das Denkmal, das an das große Feuer von 1666 erinnern sollte, wurde ein Opfer der Flammen.
    »Bring sie zu Bett«, sagte Onkel Sidney. »Du kannst im Moment nichts tun oder sagen, was ihr helfen könnte. Sie ist der Situation nicht gewachsen. Bring sie zu Bett.«
    Sie sahen, wie Josephine Ryan von ihrem Mann aus dem Raum begleitet wurde. Josephine Ryan würde dieselben Schlaftabletten wie die nun ruhig schlafende Tracy Masterson bekommen. Ida und Felicity Henry schauderten und fragten, wo das alles enden würde.
    »Das wird wirklich zu grausam«, sagte Onkel Sidney. »Schalte den Apparat aus.«
    »Im Grab, wenn wir nicht bald etwas unternehmen«, sagte brutal James Henry, der offensichtlich Onkel Sidney nicht gehört hatte. »Im Grab«, sagte er erneut. »Was werdet ihr zwei dagegen tun?« Er lachte böse über seine beiden bleichen Frauen.
    Fred Masterson und Onkel Sidney schauten sich an und zuckten mit den Schultern.
    Henry lachte und machte den Eindruck eines Mannes, der sich von nichts umschmeißen lassen würde.
    Und da saß Henry, lachend wie immer. Wie immer sich in seinem Sessel nach vorne lehnend. Wie immer sprunghaft, voller Ideen, den Kopf umgeben von jener wuchtigen Fülle roten Haares, ein Mann, der von irgendwoher eine Sonderration Energie zu bekommen schien.
    Als James Henry sich angriffslustig seinen beiden Zwillings-Kindfrauen zuwandte, wirkte es unwahrscheinlich, daß er nicht doch irgendwie ihre Lebensquellen anzapfte. Er schien ihnen auf eine besondere Weise
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