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Der schwarze Korridor

Der schwarze Korridor

Titel: Der schwarze Korridor
Autoren: Michael Moorcock
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alle Kraft herauszusaugen, bevor diese die Frauen überhaupt erreichen konnte, die Kraft, die ihre schwa chen, schmalen Füße, ihre krummen Rücken, ihr dünnes Haar, ihre müden Augen gestärkt hätte.
    Onkel Sidney mußte bei diesem Gedanken laut lachen.
    »Was gibt es denn da zu lachen? Sidney«, fragte James Henry.
    Onkel Sidney schüttelte den Kopf und hörte auf zu lachen.
    James Henry starrte ihn an. »Was war denn so komisch?«
    »Egal«, sagte Onkel Sidney. »Man muß in solchen Zeiten über alles lachen können!«
    »Dann lach’ weiter, Sidney«, sagte James Henry. »Lach weiter, so lange du kannst, denn schon ganz beschissen bald wirst du heulen.«
    Sidney grinste: »Es sind Damen anwesend.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nun, als ich jung war, gebrauchten wir solche Worte nicht vor Damen.«
    »Was für Worte, du alter Trottel?«
    »Du hast beschissen gesagt, James«, sagte Onkel Sidney mit versteinertem Gesicht.
    »Glaube ich nicht. Nur ein Mann mit verdammt begrenztem Vokabular würde so fluchen. Was willst du beweisen, Sidney?«
    Erneut schien Onkel Sidney leicht erstaunt zu sein. »Vergiß es«, sagte er schließlich.
    »Willst du dich anlegen?«
    »Nein, ich will mich mit niemandem anlegen«, sagte Onkel Sidney.
    Das Fernsehen zeigte Folge auf Folge: Feuer und Gewalttätigkeiten, Gewalttätigkeiten und Feuer.
    James Henry schaute seine beiden Frauen an: »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    Einmütig verneinten sie.
    Er schaute erneut Onkel Sidney an. »Na bitte.«
    »O. k. ist ja gut.« Onkel Sidney schaute weg.
    »Ich wollte dir beweisen, daß ich nichts Unrechtes gesagt habe«, sagte Henry hartnäckig.
    »Ich glaub’ dir’s ja, entschuldige bitte, ich habe mich verhört.«
    James Henry lächelte: »Dann solltest du dich bei uns allen entschuldigen.«
    »Ich entschuldige mich bei allen von euch«, sagte Onkel Sidney, »bei allen.«
    Ryan sah von der Tür aus zu. Er schaute auf James Henry, auf Ida und Felicity – auf Fred Masterson und dann auf den Fernsehschirm.
    Es war gar kein so großer Unterschied. Das war erschreckend.
    Nichts schien real. Oder vielleicht wirkte überhaupt nichts mehr real.
    Er ging auf den Fernsehapparat zu mit dem Vorsatz, ihn auszuschalten. Dann zögerte er. Er hatte plötzlich das Gefühl, daß wenn er das Fernsehen ausschalten würde, nicht nur das Bild verschwinden würde, sondern auch die Szene im Zimmer. Ihn schauderte.
    Ryan schauderte voller Furcht und Hoffnungslosigkeit. Er war deprimiert und verzweifelt.
    Es war ein schrecklicher Tag gewesen.
    Dieser Tag war wirklich so etwas wie ein historischer Tag, dachte er. Dieser Tag war der Wendepunkt in der Geschichte dieses Landes – vielleicht der Wendepunkt für die Geschichte der Welt.
    Vielleicht war es der Anfang eines neuen, dunklen Zeitalters. Endlich entschied er sich und schaltete den Fernsehapparat aus.
     
     
     
Kapitel 6
     
    In seiner kleinen Kabine flimmert der Film vor seinen Augen. Die fremden Stimmen lassen ihn gegen seinen Willen eindösen.
    Er hatte gewußt, als er sich hinsetzte und einen Film in einer ihm fremden Sprache auswählte, daß das das Ergebnis sein würde.
    Ryan, ein Mann, dessen Schlaf von Alpträumen heimgesucht wurde, der jeden Morgen mit dem unbestimmten Schrecken eines Mannes aufstand, der von Entsetzlichem geträumt hatte, an das er sich nicht einmal mehr erinnern konnte – Ryan braucht dringend Schlaf.
    Durch die Adern seines Gehirns pulsiert das Geräusch von Blut und Herzschlag. Die Trommeln des Lebens. Zu Anfang ganz leise.
    Ryan steht im Ballsaal
    Die Tanzfläche glänzt dunkel
    Die Lichter in den Kandelabern sind heruntergebrannt
    Sie brennen mit blauer Flamme
    Schwarze Streifen verzieren die Wände
    In Augenhöhe hängen Masken daran
    Die Masken haben menschliche Züge.
     
    K
    E
    E
    P
    GOING
    F
    E
    E
    K
     
    Das Raumschiff ist auf dem Weg nach München. Es fliegt annähernd Lichtgeschwindigkeit.
    Das Raumschiff hält Kurs auf München.
    ICH WEISS DASS ICH DES …
    … DES SCIENCES – HISTOIRE DES SCIENCES – HISTOIRE DES SCIENCES …
    ES IST DIE WAHRHEIT
    ICH BIN BEREIT
    SIE JEDEM ZU ERZÄHLEN
    DER SIE HÖREN WILL
    (Es gibt keinen Grund, sie jemandem zu erzählen – es ist niemand da, um sie ihm zu erzählen – es ist nicht wichtig …)
    K
    E
    E
    P
    GOING
    P
    E
    E
    K
    WOHIN ?
     
    *
     
    Die Masken im Ballsaal tragen menschliche Züge. Gesichter in Wut, Lust oder Gier verzogen. Plötzlich trägt eine der Masken die grob entstellten Züge seiner Frau Josephine. Dort
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