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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon
Autoren: Valerie Frankel
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Zwischenzeit konnte ich die Akte leicht zurechtschnitzen. Wenn ich irgendwas mit der Suche nach Belles Mörder zu tun haben wollte, dann wollte ich keine Bullen, die mir dabei in die Quere kamen.
    Dick kam vom Klo zurück. Er sah Buckys Gesichtsausdruck und sagte: »Was ist? Hab’ ich irgendwas verpaßt?«
    Bucky sagte: »Sie glaubt tatsächlich, wir gehen ohne diese Akte hier raus.«
    Dick zwirbelte seinen Schnäuzer und sagte: »Ist das wahr, mein Täubchen?«
    Ich sagte: »Da steht sowieso nichts Besonderes drin. Bloß die Adresse und die Personenbeschreibung. Nichts, was ihr nicht sowieso schon kennt.«
    »Das werden wir ja sehen.« Dick kam hinter meinen Schreibtisch, schob Alex beiseite und zog meine unterste Schublade auf.
    Alex sagte: »Braucht man dazu nicht einen Durchsuchungsbefehl? Oder sind das bloß schlechte Manieren?«
    Dick ignorierte ihn. Er kramte in meiner Tamponschachtel herum. Er befahl Bucky, sich den Aktenschrank vorzunehmen. Bucky ging rüber zum Schrank und fing an, Akten rauszuziehen und auf den Teppich zu schmeißen. Alex schrie »He, was soll das?«, rannte zum Schrank und stellte sich davor.
    »Ihr könnt hier nicht einfach alles durch die Gegend schmeißen«, sagte er. Bucky stieß ihn weg. Alex rief: »Wanda, komm her und hilf mir.« Ich rührte mich nicht. Ich wußte warum.
    Inzwischen saß Dick praktisch auf mir drauf und durchsuchte jede einzelne Schublade in meinem Schreibtisch. Als er nichts fand, packte er mich bei den Schultern und drückte mich gegen meinen Stuhl. Er sagte: »Letzte Chance, Zuckerpuppe. Wo ist die Akte?«
    »Sie war nicht in meinem Schreibtisch? Dann weiß ich es auch nicht.« Ich war mehr wütend als nervös, aber so oder so wollte ich nicht, daß sie mir was anmerkten.
    Er schüttelte mich. Alex und Bucky hörten mit ihrem Gerangel vor dem Aktenschrank auf, um zuzuschauen. Dick sagte: »Hör mir gut zu, Süße. Ich verlier’ langsam die Geduld.« Sein Schnauzbart zuckte. »Dein albernes Versteckspiel interessiert mich einen Scheißdreck, und du interessierst mich ebenfalls einen Scheißdreck. Es gibt nicht viel, was mich davon abhält, dich zu zwingen, die Akte rauszurücken. Und ich denke mir, du weißt, wie ich das meine.«
    Ich sagte: »Wenn Sie mir auch nur ein Haar krümmen, macht er Sie platt.« Ich zeigte auf Alex.
    Alex sagte: »Geben Sie mir fünf Minuten, damit ich meinen schwarzen Gürtel holen kann.«
    Bucky sagte: »Reg dich ab, Dick. Hier ist nichts. Gehen wir zum Richter.« Dick ließ meine Schultern immer noch nicht los. Ich wußte, daß ich blaue Flecken kriegen würde. Er schaute runter in mein Gesicht. Ich lächelte.
    »Wir sind in ein paar Stunden wieder da«, sagte Dick drohend. Er ließ mich los und flüsterte mit Bucky. Dick sagte: »Wir behalten dich im Auge, Mallory. Komm ja nicht auf die Idee, die Stadt zu verlassen.« Die Bürotür knallte zu. Ich fühlte mich noch fertiger als vorher, aber wenigstens konnte ich eine gewisse Befriedigung aus dem Wissen ziehen, daß sie die Akte nicht gefunden hatten. Ich hatte die ganze Zeit darauf gesessen.
    Alex sagte: »Ich und ihn plattmachen? Kein Problem. Er ist ja bloß hundert Pfund schwerer als ich.«
    Ich reckte meine Schultern. Ich nahm meine Vans aus der Schublade und zog sie ohne Socken an. Ich sagte: »Ich will nicht hiersein, wenn sie wiederkommen.«
    Alex sagte: »Die kommen heute nicht mehr wieder.«
    »Laß uns trotzdem abhauen.«
    »Du willst allein sein?«
    »Ja. Nimm’s nicht persönlich.«
    »Das tu’ ich nie«, sagte er. Ich stand auf. »Nein, ich werde verschwinden«, sagte er und ging.
    Ich zündete mir eine Zigarette an und schaute zu, wie der Rauch sich um meine Finger kräuselte. Belle war tot. Ich konnte es kaum glauben. Ich hätte fast losgeheult, riß mich aber zusammen. Ich schaute aus meinem Fenster und sah, wie eine Bande von Kids aus einem koreanischen Imbiß rannte. Der Besitzer rannte hinter ihnen her. Ich fragte mich, was sie wohl geklaut hatten.

Der Rest eines schlimmen Tages

    Das Telefon klingelte. Es war Santina Epstein, die halb jüdische, halb italienische, halb hundertjährige Fifth-Avenue-Kosmetikerin, die eine Etage über mir in Park Slope wohnt. Die erste Dosis ihres Gejammers ist immer die am schwersten zu ertragende. Ich hielt den Hörer von meinem Ohr weg.
    »... und dein Anrufbeantworter war nicht einmal an. Ich hätte fast die Polizei angerufen, aber Shlomo hat es mir ausgeredet.« Shlomo Zambini ist Santinas Mann. Sie sind nicht verheiratet,
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