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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes
Autoren: Michael Siefener
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Klosters gehören. Sollen sich doch unsere eifrigen Brüder, die Dominikaner von Bamberg, darum kümmern. Ich für meinen Teil …«
     
    Ein einziger Blick von Hilarius brachte ihn zum Schweigen.
     
    Martin ging nicht aus dem Kopf, was der Zauberer auf der Folter gesagt hatte. »Was hat er mit dem Untergang der Welt gemeint?«, fragte er leise, eigentlich eher an sich selbst als an den Pater gerichtet.
     
    Der Pater schaute wieder in seinen Humpen und faltete die Hände um den klobigen Steinkrug. Dann zuckten seine Mundwinkel wie in einem plötzlichen Schmerz. Er ließ den Krug los und fasste sich an den halb von der Tischplatte verborgenen Bauch. Es war Martin, als habe sich die Kutte des Paters wie von selbst bewegt. Sicherlich war es nur ein Luftzug gewesen, vielleicht auch ein widriger Wind.
     
    Der Lärm in der Schankstube schwoll immer stärker an. Jemand hatte eine Fiedel hervorgekramt und entlockte ihr nun entsetzlich quietschende und klagende Töne. Martin sah, wie einer der Tische beiseitegeschoben wurde, wie einer der Männer aufsprang und sich die Magd schnappte. Sie ließ den Bierkrug, den sie gerade in der Hand hielt, fallen und drehte sich zusammen mit dem Mann in einem plumpen Tanz, dass ihre Röcke rauschten und wie toll wirbelten.
     
    Es ist, als wollten sie sich in Lärm und Rausch versenken,
dachte Martin. Es ist, als hätten sie alle die Schreie des sterbenden Zauberers gehört.
     
    Und als hätten sie alle seine letzten Worte verstanden; jene Worte, die aus Pater Hilarius einen anderen Menschen gemacht hatten. Aber anstatt wie er zu schweigen, versuchten sie, die ganze Welt mit all ihren Farben, Lauten und Gerüchen in diese kleine Stube hineinzuzerren.
     
    Doch mit einem Schlag war alles still – so still wie Pater Hilarius.
     
    Die Stille war wie ein Schock. In sie hinein fiel das leise Knirschen von Stiefelabsätzen. Es musste weiches, teures Leder sein, das diese Laute verursachte, und keine der harten, klappernden Kuhmaulschuhe, die die Bauern und kleinen Händler und Handwerker trugen.
     
    Die Schritte waren hinter Martin; sie kamen auf ihn zu; irgendwo in seinem Rücken befand sich die Eingangstür der Schänke. Mit ihnen kam ein eisiger Hauch. Er sah, dass die beiden Tänzer mitten in ihrer Bewegung erfroren waren und mit großen Augen auf das glotzten, was sich Martin von hinten näherte.
     
    Auch Pater Hilarius starrte an Martin vorbei. Er runzelte die Stirn.
     
    Bruder Suitbertus bemerkte erst mit einiger Verzögerung, dass etwas nicht stimmte. Er legte langsam das fetttriefende Messer zur Seite und starrte in dieselbe Richtung wie der neben ihm sitzende Pater. Martin drehte sich endlich um.
     
    Der Mann, der nun fast schon neben Martin stand, war keineswegs so beeindruckend, als dass seine bloße Erscheinung eine derart erstaunliche Wirkung auf die anderen Gäste hätte hervorrufen können. Er war groß und sehr hager, trug einen Vollbart, der ihm ein verwegenes Aussehen verlieh, und steckte in sündhaft teurer Kleidung. An seinem Pelzbarett hing eine grotesk lange, grün schillernde Pfauenfeder herab. Sein Wams war wie ein Feuer: grellrot mit schwarzen Schlitzen. Wenn man ihn von Weitem auf der Straße gesehen hätte, hätte man ihn zwar für einen reichen Mann gehalten, ihn aber nicht weiter beachtet. Doch hier, in der Beengtheit der billigen Schankstube, war seine Gegenwart so beherrschend und erdrückend, dass sie Martin fast den Atem nahm. Er hätte nicht sagen können, aus welchen Attributen des vornehmen Mannes dieses Gefühl herrührte, aber es war unleugbar da.
     
    Langsam erhoben sich wieder die gewohnten Geräusche in der Stube. Die Fiedel setzte erneut ein, doch ihre Töne waren noch schriller und falscher als zuvor. Der Tanz ging weiter, aber ihm fehlte jegliche Freude; die beiden Tänzer waren wie Figuren in einer jener großen Domuhren, von denen Martin schon viel gehört hatte.
     
    »Habe ich das Vergnügen, vor dem heiligmäßigen Pater Hilarius zu stehen?«, fragte der Fremde mit einer sanften Stimme, deren Klang bei Martin allerdings sofort eine Gänsehaut hervorrief. »Man versicherte mir, dass ich Euch hier finden kann, und ich freue mich, dass man mir die Wahrheit sagte.«
     
    Der Pater starrte den eleganten Mann unverwandt an. Martin glaubte in seinem Blick sowohl Trotz und Überheblichkeit als auch Furcht zu erkennen.
     
    »Wer will Pater Hilarius sprechen?«
     
    »Mein Name ist …«, hier machte der Neuankömmling einen kurze Pause, als
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