Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes
Autoren: Michael Siefener
Vom Netzwerk:
müsse er sich erst einen Namen überlegen, »… Graf Albert von Heilingen. Stets zu Euren Diensten, ehrwürdiger Vater.« Er machte eine übertriebene Verbeugung, die jeder wahren Höflichkeit frech spottete.
     
    »Was wollt Ihr von mir?« Hilarius hatte die Hände wieder um den Weinhumpen gelegt. Er hatte so fest zugepackt, als wolle er Flüssigkeit aus dem Steingut pressen.
     
    »Euer Ruf durchdringt die ganze zivilisierte Welt«, sagte der Graf und zog sich den einzigen freien Stuhl heran, der neben Martin gestanden hatte. Er setzte sich und beugte sich über den Tisch, um dem Pater noch näher zu sein. Martin bemerkte einen zwar schwachen, aber eindeutig unangenehmen Geruch an dem Grafen. War es der Unterricht bei Pater Hilarius gewesen, der ihn nun überall Teufel sehen – und riechen – ließ? Er rückte mit seinem Stuhl so weit wie möglich von dem Grafen fort.
     
    Suitbertus hatte seinen Schweinebraten vollkommen vergessen, ja er hatte sogar vergessen, den Mund zu schließen. Wie ein Verzauberter saß er da und starrte den Grafen an.
     
    »Ich frage Euch noch einmal: Was begehrt Ihr von mir?«, wollte Pater Hilarius wissen.
     
    »Nur die Gunst einer Unterredung.«
     
    »Und worüber wollt Ihr mit mir reden?«
     
    »Über …« Der Graf unterbrach sich und blickte von Hilarius zu Suitbertus. Dann drehte er sich zu Martin um und sah ihm tief in die Augen. In diesem Moment hatte der junge Mönch den Eindruck, als sehe er zum zweiten Mal an diesem Tag einen abgrundtiefen Schatten. Er legte sich dicht und dick über den Tisch und den ganzen Schankraum. Die verzweifelt fröhlichen Zecher schienen es ebenfalls zu spüren. Mit einem schrecklichen Misston riss eine Saite der Fiedel. Der Tanz war vorüber. Das Johlen war in ein erschrockenes Murmeln übergegangen. Die Magd huschte aus dem Raum.
     
    »Wenn Ihr mir nichts zu sagen habt, dann lasst mich in Ruhe und zieht Eures Weges«, sagte der Pater. Seine Stimme schwankte.
     
    »Oh, ich habe Euch vieles zu sagen, aber ich möchte es unter vier Augen tun«, erwiderte der Edelmann.
     
    »Das ist unnötig. Die beiden Konfratres haben mein volles Vertrauen.«
     
    Das machte Martin mächtig stolz. Er war der Vertraute eines Heiligen! Er würde es noch weit bringen, wenn er sich nur an solch schreckliche Dinge wie Folterungen und Zaubereien gewöhnen konnte. Nun war er plötzlich sehr neugierig, was der Edelmann von Hilarius wollte.
     
    »Ich achte Euer Vertrauen, doch Euch selbst achte ich noch viel höher«, gab der Graf zurück. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das, was ich Euch zu sagen habe, in anderen Ohren als den Euren möglicherweise einen seltsamen Klang haben wird. Einen sehr seltsamen Klang.«
     
    »Wollt Ihr mir etwa drohen?«, schnappte Pater Hilarius. »Ihr sagt, Ihr kennt meinen Ruf. Dann wisst Ihr auch, dass es nichts gibt, mit dem Ihr mir drohen könnt.«
     
    »Ach, wirklich nicht?« Der Graf lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Martin blickte ihn von der Seite an und sah, dass der vornehme Adlige den Mund zu einem ungeheuer breiten Grinsen verzogen hatte. Er sagte: »Das, was ich Euch zu sagen habe, könnte Euch durchaus erhebliche Magenschmerzen bereiten. Magenschmerzen; versteht Ihr?«
     
    Der Pater wurde blass. Martin begriff überhaupt nichts mehr. Suitbertus hatte inzwischen wenigstens den Mund zugeklappt, doch in seinem Blick lag nicht das geringste Fünkchen Verständnis.
     
    Der Graf fuhr fort, während er sich den sorgfältig gestutzten Bart kraulte: »Wenn ich mich nicht gewaltig irre, habt Ihr heute Dinge gehört, die Euch sehr verwirrt haben. Ich sehe es in Eurem Blick. Gäbet Ihr denn gar nichts darum, zu erfahren, was es mit diesen Dingen auf sich hat?«
     
    Allerdings,
dachte Martin, kratzte sich verstohlen an der tonsurierten Stelle seines Schädels und stellte beiläufig fest, dass sein Haupthaar dort wieder in lustigen Stoppeln spross. Bald würde es erneut die unangenehme Bekanntschaft mit dem Messer machen müssen. Der Gedanke an das Barbiermesser aber brachte ihm die Erinnerung an all die Folterwerkzeuge in den Gewölben des Rathauses zurück.
     
    »Ich glaube nicht, dass ich etwas darum gäbe«, sagte Pater Hilarius zögerlich, »aber ich sehe, dass es mir nicht gelingen will, Euch loszuwerden. Ich gewähre Euch ein paar Minuten – oben in meiner kleinen Kammer. Ich muss um Vergebung bitten, dass es in ihr recht ungemütlich ist.«
     
    »Oh, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, an welch ungemütlichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher