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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg
Autoren: Richard Gordon
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besaß. Es fiel ihm ein, daß sie vielleicht dem Sarazenen Spaß machen würden. Und jegliche Anregung würde das Leben in der anderen Hälfte des Sanatoriums erleichtern.
    «Also... wenn Sie sie wirklich nicht brauchen, nehme ich sie.»
    «Bitte.»
    «Wir haben natürlich einen Zeichner in unserer Abteilung, aber er taugt nicht viel.» Haileyburys Ton verwies alle derartigen Beschäftigungen auf den ihnen gebührenden Platz. «Danke», fügte er hinzu.
    «Bitte, nichts zu danken.»
    «Übrigens habe ich das Sommerhaus zum Sperrgebiet erklärt.» Er salutierte. «Guten Tag, Dr. Trevose.»
    Graham hatte einen amüsanten Einfall. «Dr. Haileybury -»
    Er drehte sich um. «Ja?»
    «Bringen Sie mir doch bitte eine Leibschüssel, mein Lieber. Sie sind in dem Schrank neben der Tür. Ich platze fast.»
    Haileybury wurde noch rosiger. «Ich schicke eine Schwester», schnappte er zurück.
    Er entschwand die Veranda hinunter, mit der Würde eines Garderegiments auf dem Rückzug.
    «Eingebildeter Affe!» dachte Gaham. «Gott sei Dank werde ich ihn nicht Wiedersehen. Wie schrecklich, umwerfend, beispiellos blöde! »
    Es war dies ein Ausdruck, den er damals sehr frei verwendete. Er schloß jede Art von Unannehmlichkeit ein, yon Zigarettenmangel bis zum Verlust eines Onkels.

3

    Graham bemerkte das Mädchen erst, als sie schon fast an seinem Liegestuhl stand. Er war ganz darin vertieft, die verrottenden schwarzen Stämme eines Wellenbrechers zu zeichnen, der in der Ebbe einsam dastand. Da seine Reaktion auf jede Zurückweisung ein sofortiger Verlust jeglichen Interesses war, verlor er den Mann (oder häufiger die Frau), der sie ihm erteilt hatte, die Gesichter, die ihn fasziniert hatten, von einem Tag zum anderen völlig aus dem Gedächtnis. Er hatte sein Talent den Möwen zugewendet, wie er versprochen hatte.
    Seit jenem Streit waren drei Wochen vergangen, und er war so gelangweilt und entmutigt wie ein Kriegsgefangener. Er versuchte zu lesen, aber der Buchbestand des Sanatoriums war zerschlissen, alt und uninteressant, neue Bücher konnte er sich nicht leisten, und keine Leihbibliothek wollte ihre Bücher in eine so ansteckende Abfallgrube schicken. Er hatte nur die Tageszeitung, das Strand Magazine, verschiedene Nummern der Tit-Bits, die die ganze Abteilung durchgeblättert hatte, und die Briefe seines älteren Bruders Robin von «irgendwo in Frankreich», wie auf dem Absender stand. Die Briefe waren meist schwerfällig, voll mit guten Ratschlägen und getränkt von einer essigsauren Moralität, wie Robin selbst. Sogar die Abwechslung, die die monatlichen Besuche seines Vaters gebracht hatten, war ihm verwehrt. Der Professor schrieb, schwerwiegende Probleme theoretischer Anatomie hielten ihn unglücklicherweise in London fest. Graham vermutete allerdings, daß seine eigene wiederkehrende Gesundheit dem Vater die rußigen Waggons der South-Eastern-und Chatham-Bahn weniger erträglich machte. Er hatte sogar aufgehört, Zigaretten zu schmuggeln. Sein einziges Ziel war es, so bald wie möglich den Sandstrand des Sanatoriums gegen die weiteren Küsten des Lebens einzutauschen.
    Aber da war nun ein Mädchen. Er sah sie aus dem Augenwinkel. Ein richtiger Backfisch.
    «Ich hoffe, Sie halten nur auf Distanz, weil Sie Angst vor der Ansteckung haben», fragte er, ohne aufzublicken.
    «O nein!»
    Sie war hübsch, unverheiratet und sehr jung - etwa achtzehn, schätzte er. Sie trug ein blau-weiß gestreiftes Zivilkleid, ihr langes, blondes Haar war unter ihrem breitrandigen Hut in einem losen Knoten zusammengehalten. Eine erfrischende Abwechslung nach den mausgrau uniformierten freiwilligen Helferinnen mittleren Alters im Sanatorium mit ihrem den Kriegsverhältnissen entsprechend kurzgeschnittenen Haar.
    «Ich habe Ihnen nur beim Zeichnen zugesehen.» Sie überwand ihre Skrupel wegen tuberkulöser oder moralischer Infektion und ging ein, zwei Schritt vorwärts. «Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich so frei bin?»
    Ihre Stimme ist enttäuschend, sagte er sich.
    «Es macht mir gar nichts aus. Jeder Künstler fühlt sich geschmeichelt, wenn er ein Publikum hat, auch wenn er nur einen Briefkasten anmalt.» Er war ohnehin von Natur aus exhibitionistisch, eine
    Eigenschaft, die späterhin viele hohe akademische Stirnen runzelte. «Darf ich mich vorstellen? Dr. Trevose. Im Augenblick allerdings bin ich hier eingesperrt.»
    «Ich arbeite auf der anderen Seite», erzählte sie. Ich helfe Dr. Sarasen bei den Briefen und
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