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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg
Autoren: Richard Gordon
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hinzu. Er fand die Skizzen recht gut, beinahe wert, in ein Lehrbuch aufgenommen zu werden. Eines Morgens aber wurde sein Interesse daran jäh gestört.
    Es war nach dem Frühstück. Die Veranda des Sanatoriums war voll von Krankenschwestern und Helfern, die geschäftig Leibschüsseln, Teller, Tabletts und all die anderen Gerätschaften wegräumten, die zum unvermeidlichen Inventar aller Krankenstationen zählen, um die Patienten in ordentlichen, sauberen Reihen zur würdevollen Inspektion durch die Ärzteschaft zu präsentieren. Ein Fremder kam die Bettenreihe entlang, ein großer junger Mann mit rosigen Wangen und roten Ohren, um einiges älter als Graham. Seine gepflegte Khakiuniform verriet, daß er einen tüchtigen Offizierschener hatte, er trug Leutnantssterne an den Aufschlägen, Schulterriemen, Reithosen und glänzende Stiefel. Das Rangabzeichen des Royal Army Medical Corps mit der Äskulapnatter milderte kaum die militärische Strenge seiner Erscheinung.
    Er salutierte. «Dr. Trevose, nicht wahr?»
    Graham nickte.
    «Mein Name ist Haileybury. Ich bin der plastischen Abteilung im anderen Block angeschlossen.»
    Es handelte sich offensichtlich nicht um einen gesellschaftlichen Besuch. Der Besucher sah so unfreundlich aus wie ein Stacheldrahtverhau. «Es ist meine Pflicht, mit Ihnen über eine wichtige Angelegenheit zu sprechen.»
    Es fiel Graham plötzlich auf, wie sehr man bei einer Auseinandersetzung im Nachteil ist, wenn man flach auf dem Rücken liegt und der andere steht. «Dann ist es meine Pflicht, zuzuhören.»
    Der Offizier schien nach Worten zu ringen. Dann brach das Fohlen aus dem Geschirr des Kriegsrosses. «Hören Sie, Sie infizieren mir meine Patienten», polterte Haileybury wie ein Schuljunge. «Wir plagen uns furchtbar, unsere Leute von euch Tbc-Kranken abzusondern. Das müssen Sie doch verstehen. Und Sie unterhalten sich da jeden Nachmittag mit ihnen. Das ist einfach unfair von Ihnen, wissen Sie das?»
    Grahams Antwort war ein Lachen. Haileybury blickte rasch die Veranda hinauf und hinunter. Er war im Bewußtsein ausgezogen, daß ein Streit zwischen zwei Ärzten eine sehr delikate Angelegenheit sein müsse, und hatte überhaupt nicht daran gedacht, daß er irgendwie eine dumme Figur abgeben könnte. «Also, ich sehe hier wirklich keinen Grund, zu lachen», sagte er kalt.
    «Aber ich bin nicht ansteckend. Wirklich nicht. In meinem Sputum sind keine Tuberkelbazillen. Überhaupt keine. Man hat sie nur zweimal gefunden, und ich glaube, sie haben dabei geschwindelt, weil ich so gar nicht in das klassische Bild dieser Krankheit passe. Wenn Sie mir nicht glauben, können Sie sich gerne meine Krankengeschichte ansehen.»
    «Oh, ich würde nie an Ihren Worten zweifeln.» Haileyburys Ton unterstrich die Schändlichkeit einer Lüge zwischen Medizinern. «Dann würden Sie vielleicht die Güte haben, die armen Kerle nicht mehr zu zeichnen? Sie müssen doch wissen, wie sie unter ihrem Ansehen leiden. Es ist schlimm genug, daß das Dorf sie meidet, als wären sie im Endstadium der Lepra. Wenn diese Bilder in falsche Hände kämen - oder in eine Zeitung ...» Seine nahezu farblosen blauen Augen drückten Entsetzen aus. «Es wäre einfach schrecklich. Unsere Arbeit hier würde so gut wie unmöglich! »
    Als Zivilist, auch als kranker, war Graham bei jedem Zusammenstoß mit dem Militär ein wenig ängstlich. Aber dieser Mensch war ganz offensichtlich ein unmöglicher Kerl. Er durfte auf keinen Fall annehmen, daß die Zeichnungen, die Patienten und ganz besonders er selbst auch nur die geringste Bedeutung für Graham hätten.
    «Sie werden niemandem in die Hände fallen. Ich habe sie nur zu meinem eigenen Vergnügen gemacht.» Graham reichte ihm ein Bündel Papiere aus seinem Nachttisch. «Sie können sie nehmen, wenn Sie wollen - zerreißen Sie sie, oder tun Sie, was Sie wollen. Ich werde wieder Möwen zeichnen, wenn das alle glücklicher macht.»
    Der junge Militärarzt zögerte, nahm aber dann doch die Skizzen. Darauf war er nicht vorbereitet. Er war pikiert. Er war in bezug auf seine Stellung als einziger Offizier im Stab des Sarazenen und darauf, daß seine Person überhaupt mit einer so unrühmlichen Abteilung' in Verbindung gebracht wurde, so empfindlich wie der Zünder einer Granate, und er fühlte, daß der mysteriöse Doktor aus dem Sommerhaus sich auf den Paradeplatz seiner Autorität verirrt hatte. Als er jedoch die Zeichnungen durchsah, mußte er zugeben, daß der Eindringling ein gewisses Talent
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