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Der Schluessel zum Glueck

Der Schluessel zum Glueck

Titel: Der Schluessel zum Glueck
Autoren: Christine Rimmer
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versuchte aufzustehen, um Ausschau danach zu halten.
    „Oje“, murmelte sie, als sie merkte, dass es ihr schwer fiel, das Gleichgewicht zu wahren. Schnell stützte sie die Hand wieder auf den gefrierenden Schnee, und die Finger verschwanden darin, bis zum harten, steinigen Boden darunter. Es ist wahrscheinlich doch besser, erst mal auf allen vieren zu bleiben, dachte sie. So kann ich wenigstens nicht umkippen.
    Langsam drehte sie den Kopf und sah durch die flatternden Strähnen ihres Haars hindurch eine Tüte Käsestangen und einen Baumstamm. Als sie in die andere Richtung schaute, entdeckte sie den Radiorecorder und ihre CDs und weit dahinter eine alte Hütte.
    Ja, jetzt fiel ihr alles wieder ein. Das war das Haus, das einmal Mavis McCormack gehört hatte. Will Bravo saß darin in einem Sessel, las Schuld und Sühne, hörte Radio und würde sich hoffentlich bald fragen, warum sie nicht zurückkam.
    Nein. Will konnte sie vergessen. Er mochte sie nicht. Er wollte sie nicht hier haben. Es wäre ein gewaltiger Fehler, im Schnee liegen zu bleiben und darauf zu warten, dass er sein Buch hinlegte, die Hütte verließ und Jilly rettete. Außerdem war sie eine unabhängige, selbstständige Frau, die auf sich aufpassen konnte.
    Sie hatte sich diese Situation eingebrockt und würde sich selbst daraus befreien.
    Ob sie inzwischen wohl aufstehen konnte? Vorsichtig hob sie eine Hand… und wäre fast zur Seite gekippt. Jilly stützte sich wieder ab.
    „Okay“, murmelte sie. „Das war wohl keine so gute Idee.“
    Sie warf einen bedauernden Blick auf die Käsestangen. Die konnte sie vorläufig abschreiben – genau wie den Recorder und die CDs. Sie brauchte beide Hände, um zur Hütte zu kriechen. Eigentlich robbte sie mehr, als dass sie kroch. Wenn sie es bis auf die Veranda schaffte, konnte sie gegen die Wand hämmern, dann würde Will wahrscheinlich herauskommen und ihr hineinhelfen. Er mochte ihr unsympathisch sein, aber er war kein Ungeheuer. Vielleicht konnte sie ihn sogar dazu bewegen, die Käsestangen und die CDs zu holen. Höchst unwahrscheinlich, dachte sie, aber man darf ja wohl noch hoffen.
    Jilly hatte ein Viertel des Wegs zurückgelegt, als sie sich fragte, ob sie es noch einmal wagen könnte, sich aufzurichten, ein Stück zu taumeln und
    weiterzukriechen, wenn sie umfiel. Ja, warum nicht? Ihr war nicht mehr so schwindelig wie eben noch, und bei dieser Eiseskälte zählte jede Sekunde.
    Langsam stand sie auf.
    Und Wunder über Wunder, sie blieb auf den Beinen. Ihr klapperten zwar die Zähne, aber sie fiel nicht um. Mit zitternden Fingern schob sie sich das klitschnasse Haar aus dem Gesicht und wagte den nächsten Schritt. Einen Fuß anheben und…
    Doch dann sah sie Will, der durch den Schnee auf sie zueilte.
    „Verdammt, Jilly“, rief er.
    He, dachte sie, das ist das erste Mal, dass er mich Jilly genannt hat. War das nun ein Fortschritt oder nur eine Halluzination? Was auch immer. „Wissen Sie, ich bin echt froh, Sie zu sehen“, rief sie ihm zu.
    Er antwortete nicht, und sie war nicht sicher, ob sie die Worte wirklich ausgesprochen hatte. Aber das war nicht mehr wichtig, als er in die Knie ging, sie auf seine kräftigen Arme nahm und an die breite, warme Brust drückte. Jilly legte ihm einen Arm um den Hals und den Kopf an seine Schulter. Sie seufzte und vergaß, warum sie ihn nicht mochte.
    Hinter ihrer Stirn pochte der Kopfschmerz, doch sie nahm es kaum wahr. Sie war so dankbar, dass Will herausgekommen war und sie gefunden hatte. Sie schmiegte sich an ihn, während er sie in die Hütte trug. Dort, in der Wärme und dem Licht, klopfte er sich den Schnee von den Stiefeln und schloss die Tür mit einem Tritt nach hinten.
    Er trug sie zu dem schmalen Eisenbett, das als Sofa diente, und legte sie behutsam darauf ab. Dann schob er ihr Kissen unter den Kopf, strich ihr das feuchte Haar aus dem Gesicht und betrachtete stirnrunzelnd die Schwellung an ihrem Kopf.
    „Schaut nicht gut aus, was?“ fragte sie.
    „Ich habe schon Schlimmeres gesehen.“ Wie ein Arzt am Krankenbett strich er ihr beruhigend über den Arm. Angesichts seines bisherigen, wenig freundlichen Benehmens überraschte es sie, wie nett er sein konnte.
    Die Füße, noch immer in Stiefeln, ließ Jilly über den Rand des Betts baumeln. Will hockte sich davor, schnürte sie auf und zog sie ihr aus. Als er sich aufrichtete, streckte sie sich stöhnend aus.
    „Bin gleich zurück“, sagte er. Sie beobachtete, wie er ihre Stiefel neben die Tür stellte
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