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Der Schlüssel zu Rebecca

Der Schlüssel zu Rebecca

Titel: Der Schlüssel zu Rebecca
Autoren: Ken Follett
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schmuddelig, die Fenster mit den abblätternden Läden geschlossen. Er ging zur Mitte des Hofes und betrachtete den Steinbrunnen. Eine hellgrüne Eidechse jagte über den trockenen Boden.
    Seit mindestens einem Jahr hatte hier niemand gewohnt. Vandam öffnete einen Laden, zerbrach eine Scheibe, um das Fenster zu entriegeln und kletterte über das Brett ins Haus. Es sieht nicht aus wie das Heim eines Europäers, dachte er, während er durch die dunklen, kühlen Räume ging. An den Wänden hingen keine Jagdbilder, und es gab keine säuberlichen Reihen bunt eingeschlagener Romane von Agatha Christie oder Dennis Wheatley. Auch die üblichen von Maples oder Harrods importierten Möbel fehlten. Statt dessen war das Haus mit großen Kisten und niedrigen Tischen, handgewebten Vorlegern und hängenden Gobelins ausgestattet.
    Oben fand er eine verschlossene Tür. Er brauchte drei oder vier Minuten, um sie aufzutreten. Dahinter lag ein Arbeitszimmer.
    Der Raum war sauber und ordentlich. Er enthielt ein paar recht luxuriöse Möbelstücke: einen breiten, niedrigen Diwan, der mit Samt überzogen war, einen handgeschnitzten Kaffeetisch, drei aufeinander abgestimmte antike Lampen, ein Bärenfell, einen wunderbar ziselierten Schreibtisch und einen Ledersessel.
    Auf dem Schreibtisch befanden sich ein Telefon, eine saubere weiße Löschunterlage, ein Füllfederhalter mit Elfenbeingriff und ein trockenes Tintenfaß. In der Schublade fand Vandam Firmenberichte aus der Schweiz, Deutschland und den Vereinigten Staaten. Ein feinesKaffeeservice aus gehämmertem Kupfer sammelte auf dem kleinen Tisch Staub. Auf einem Regal hinter dem Schreibtisch standen Bücher in mehreren Sprachen: französische Romane des 19. Jahrhunderts, das Shorter Oxford Dictionary, ein Band arabischer Dichtung mit erotischen Illustrationen – wie es Vandam schien – und eine deutsche Bibel.
    Es gab keine persönlichen Dokumente.
    Er sah keine Briefe.
    Im ganzen Haus war kein einziges Foto.
    Vandam setzte sich auf den weichen Ledersessel hinter dem Schreibtisch und musterte das Zimmer. Es war das Zimmer eines Mannes, das Heim eines weltoffenen Intellektuellen, der ebenso vorsichtig, präzise und reinlich zu sein schien wie sensibel und sinnlich.
    Vandam war fasziniert.
    Ein europäischer Name, ein vollkommen arabisches Haus. Eine Aufstellung über Investitionen in Büromaschinen, ein Band erotischer arabischer Verse. Eine antike Kaffeekanne und ein modernes Telefon. Zahlreiche Informationen über den Charakter des Mannes, aber kein einziger Hinweis, wo man ihn finden konnte.
    Das Zimmer war sorgfältig aufgeräumt worden.
    Es hätte Bankauszüge, Rechnungen von Handwerkern, eine Geburtsurkunde und ein Testament, Briefe einer Geliebten und Fotografien von Eltern oder Kindern enthalten müssen. Der Mann hatte all diese Dinge gesammelt und entfernt, so daß keine Spur seiner Identität zurückblieb, als habe er gewußt, daß eines Tages jemand nach ihm suchen werde.
    »Alex Wolff, wer bist du?« sagte Vandam laut.
    Er stand auf und verließ das Arbeitszimmer. Dann ging er durch das Haus und über den heißen, staubigen Hof. Er kletterte wieder über das Tor und ließ sich auf die Straße gleiten. Auf der anderen Seite des Fahrdamms, im Schatten der Olivenbäume, saß ein Arabermit gekreuzten Beinen. Er trug eine grüngestreifte Galabiya und beobachtete Vandam gleichmütig. Der Engländer spürte keine Veranlassung, ihm seine Gründe für den Einbruch zu erklären. Die Uniform eines britischen Offiziers war in dieser Stadt Autorität genug, um fast alles zu rechtfertigen. Er dachte über andere Quellen nach, aus denen er Informationen über den Eigentümer des Hauses beziehen könnte: städtische Verzeichnisse, so dürftig sie waren; örtliche Händler, die das Haus beliefert haben mochten, als es bewohnt war; sogar die Nachbarn. Er würde zwei seiner Männer darauf ansetzen und Bogge irgendeine Geschichte erzählen, um sich zu tarnen. Vandam bestieg sein Motorrad und trat auf den Anlasser. Der Motor röhrte heftig, und er fuhr davon.

3
    W ÜTEND UND VERZWEIFELT saß Wolff vor seinem Haus und sah zu, wie der britische Offizier auf seinem Motorrad davonfuhr.
    Er erinnerte sich daran, wie das Haus in seiner Jugend gewesen war: von lauten Gesprächen, Lachen und Leben erfüllt. Dort, neben dem großen geschnitzten Tor, hatte immer ein Wächter auf dem Boden gesessen, ein schwarzer Hüne aus dem Süden, dem die Hitze nichts ausmachte. Jeden Morgen rezitierte ein heiliger
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