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Der Schlüssel zu Rebecca

Der Schlüssel zu Rebecca

Titel: Der Schlüssel zu Rebecca
Autoren: Ken Follett
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früher. Sie holten mit dem rechten Arm aus, bevor sie die Hände mit lautem Klatschen aufeinanderprallen ließen; sie schüttelten sich wenigstens ein oder zwei Minuten lang die Hände, während sie die Schulter des anderen mit der Linken packten und aufgeregt plauderten. Die Bettler und Hausierer waren in großer Zahl vertreten und nutzten den Zustrom naiver Europäer aus. Wolff war in seiner Galabiya vor ihnen sicher. Doch die Ausländer wurden von Krüppeln, Frauen, deren Babys mit Fliegen übersät waren, Schuhputzern und Männern belagert, die alles mögliche verkauften, von gebrauchten Rasierklingen bis zu riesigen Füllfederhaltern, die garantiert sechs Monate lang schreiben sollten.
    Der Verkehr war schlimmer geworden. Die langsamen, verlausten Straßenbahnen schienen voller als je; Fahrgäste hielten sich waghalsig draußen auf dem Trittbrett fest, zwängten sich in die Fahrerkabine oder saßen mit gekreuzten Beinen auf dem Dach. Die Busse und Taxis hatten nicht weniger Probleme. Es schien an Ersatzteilen zu mangeln, denn viele Autos hatten zerbrochene Scheiben, geplatzte Reifen und stotternde Motoren; außerdem fehlten ihnen Scheinwerfer und Scheibenwischer. Wolff sah zwei Taxis – einen uralten Morris und einen noch älteren Packard –, die sich nicht mehr aus eigener Kraft fortbewegen konnten und von Eseln gezogen wurden. Die einzigen brauchbarenAutos waren die monströsen amerikanischen Limousinen der reichen Paschas und die seltenen englischen Austins aus der Vorkriegszeit. Unter die Motorfahrzeuge mischten sich von Pferden gezogene Gharrys, die Maultierkarren der Bauern sowie Kamele, Schafe und Ziegen, deren Anwesenheit im Stadtzentrum durch das unwirksamste Gesetz der ägyptischen Rechtsordnung verboten war.
    Und der Lärm – Wolff hatte den Lärm vergessen.
    Die Straßenbahnen ließen ihre Glocken ständig klingeln. Bei Stauungen hupten alle Autos ununterbrochen, und wenn es keinen besonderen Anlaß gab, hupten sie aus Prinzip. Um nicht zurückzustehen, brüllten die Kutscher und Kameltreiber aus Leibeskräften. Viele Läden und Cafes ließen arabische Musik aus voll aufgedrehten, billigen Radios schmettern. Straßenhändler priesen ihre Ware an, und Fußgänger scheuchten sie davon. Hunde bellten, und kreisende Milane krächzten in der Luft. Von Zeit zu Zeit wurde alles vom Dröhnen eines Flugzeugs übertönt.
    Dies ist meine Stadt, dachte Wolff. Hier können sie mich nicht fangen.
    Es gab etwa ein Dutzend bekannte Pensionen für Touristen verschiedener Nationalität: für Schweizer, Österreicher, Deutsche, Dänen und Franzosen. Wolff schloß alle als zu auffällig aus. Schließlich erinnerte er sich an ein billiges Gästehaus, das von Nonnen im Bulaq, dem Hafenviertel, betrieben wurde. Es beherbergte vor allem Seeleute, die in Schleppdampfern und Feluken, beladen mit Baumwolle, Kohle, Papier und Stein, den Nil herunterkamen. Er konnte sicher sein, dort nicht ausgeraubt, infiziert oder ermordet zu werden, und niemand würde ihn dort vermuten.
    Während er das Hotelviertel hinter sich ließ, verringerte sich die Menschenmenge auf den Straßen ein wenig. Er konnte den Fluß selbst nicht sehen, abergelegentlich erkannte er, durch die zusammengedrängten Gebäude hindurch, das hohe dreieckige Segel einer Feluke.
    Die Herberge war ein großes verfallenes Haus, die frühere Villa irgendeines Paschas. Nun hing ein bronzenes Kruzifix über der Wölbung des Eingangs. Eine schwarzgekleidete Nonne begoß ein winziges Blumenbeet vor dem Gebäude. Durch den Bogen sah Wolff einen kühlen, ruhigen Flur. Er hatte heute mit seinen schweren Koffern mehrere Meilen zu Fuß zurückgelegt und freute sich auf eine Erholungspause.
    Zwei ägyptische Polizisten kamen aus der Herberge.
    Wolff registrierte mit einem raschen Blick die breiten Ledergürtel, die unvermeidlichen Sonnenbrillen und die militärischen Frisuren. Seine Zuversicht ließ nach. Er wandte den Männern den Rücken zu und sprach die Nonne im Garten auf französisch an. »Guten Tag, Schwester.«
    Sie richtete sich auf und lächelte ihm zu. »Guten Tag.« Sie war auffallend jung. »Möchten Sie ein Quartier?«
    »Nein, nur Ihren Segen.«
    Die beiden Polizisten kamen näher. Wolff straffte sich und bereitete seine Antworten vor, falls sie ihm Fragen stellen sollten. Er überlegte, welche Richtung am günstigsten wäre, wenn er davonlaufen müßte. Dann gingen sie vorbei, in ein Gespräch über Pferderennen vertieft.
    »Gott segne Sie«, sagte die
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