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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale
Autoren: Ingrid Law
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aus Armen und Beinen kugelten wir wie beim Twister-Spielen nach draußen. Sarah Janes Blätter wirbelten erst in hohem Bogen durch die Luft und regneten dann auf uns herab.
    Ich knallte auf den Gehsteig und rollte wie eine Bowlingkugel in Jungenform auf das neben dem Streifenwagen geparkte Motorrad zu. Plötzlich hatte ich den scharfen, metallischen Geschmack von Panik auf der Zunge. Ich bremste ruckartig ab und verfehlte die Speichen des Vorderrads mit dem rechten Schuh nur um einen Zentimeter. Ich hatte sie nicht berührt, aber trotzdem fing die Maschine an zu schwanken. Zu wackeln, zu zittern und zu vibrieren.
    Als Fedora aus dem Laden gelaufen kam und »Ha! Von wegen zum Auto prügeln, du Tölpel!« rief, hörte ich den Puls in meinen Ohren … einmal … zweimal … dreimal. Und während ich sie die Straße hinunterrennen sah, entlud sich meine ganze seit Stunden unterdrückte Schimmerenergie wie in einer Explosion.
    Die Knucklehead flog vom Vorderrad bis zum Rücklicht auseinander.
    Ein paar Einzelteile knallten mit dumpfen Schlägen und schrillem, metallischem Scheppern in die Seite des Polizeiwagens. Der Lenker traf ebenfalls das Auto, schlug krachend gegen die Windschutzscheibe und sprang dann wie ein Bumerang wieder auf mich zu. Eine Sekunde später fiel die Tür des Streifenwagens aus den Angeln.
    Überall auf dem Gehsteig lagen Fahrzeugteile.
    Angst trommelte einen wilden Rhythmus gegen meine Rippen.
    Ich nahm nur verschwommen wahr, dass Fe beim Minivan ankam, ihren Helm hineinwarf, die Tür sperrangelweit offen stehen ließ und dann zu Mom und Dad ins Café auf der anderen Straßenseite rannte. Das grässliche Kribbeln und Jucken, das mich während der Fahrt gequält hatte, war verschwunden, aber wie sollte ich das da verheimlichen?
    Wenn jetzt der Sheriff kam, würde er mich einsperren und den Schlüssel wegwerfen. Und wenn der Besitzer der Knucklehead mich zuerst fand, war ich mi-ma-mausetot. Ich kniff die Augen zu und wünschte mir, dieser Albtraum von einem Schimmer wäre tatsächlich nur ein böser Traum. In den zwanzig Sekunden, die ich auf dem Boden lag, sammelte das Mädchen namens Sarah Jane seine Blätter auf und machte sich aus dem Staub. Mir wurde klar, dass ich das auch tun sollte, denn als ich die Augen wieder aufschlug, war die Katastrophe immer noch gnadenlose Realität.
    Ich flitzte zum Auto und schlüpfte im selben Moment durch die offene Tür ins Innere, als Mom und Dad das Café verließen. Sie hatten tatsächlich nur Augen für diesen blödsinnigen Magneten von meiner Schwester und bestaunten ihn, als wäre er gar nicht kaputt. Vielleicht hatten sie nicht mal kapiert, dass das Ding eigentlich ein Fabelwesen darstellen sollte und kein Karnickel mit Beulen am Kopf. Aber solange Mom und Dad das Chaos, das ich angerichtet hatte, nicht bemerkten, durfte Fe gern die ungeteilte Aufmerksamkeit unserer Eltern genießen.
    Während wir aus der Stadt fuhren, drehte sich mir Dutzende Male der Magen um. Ich fragte mich, ob Sarah Jane mich beim Sheriff von Crook County anzeigen oder Willie erzählen würde, was ich getan hatte, und stellte mir vor, wie ein rotes Zwangsvollstreckungsschild an meine Stirn genagelt wurde. Wenn ich in dem Tempo weitermachte, wäre ich bald Geschichte.

2
    Es war Dad, der Moms Warnung, dass solche Talente nicht vorhersagbar seien, in den Wind schoss und die Idee in die Welt setzte, mein Schimmer könnte goldmedaillenträchtig sein. Schon seit unserem ersten gemeinsamen Dreibeinrennen hatte Dad sich Hoffnungen gemacht; dass ich uns wenige Meter vor der Ziellinie beinahe zu Fall gebracht hatte, war ihm egal gewesen. Wir träumten von großartigen Dingen.
    Am Morgen meines dreizehnten Geburtstages kriegte ich nichts runter. Mein Magen rebellierte, als wäre ich seekrank, und ich wollte diesen Geburtstag nicht für immer als den in Erinnerung behalten, an dem ich mein Rührei rückwärts gegessen hatte. Mit klopfendem Herzen stellte ich mir vor, wie ich meine Trophäen neben Dads aufreihen würde, falls alles nach Plan lief.
    Laufen, laufen, laufen , dachte ich. Mach, dass mein Schimmer mich ganz, ganz, ganz schnell macht!
    »Stell dir mal vor, Ledger«, sagte Dad über den Sportteil der Zeitung hinweg, während er aufmunternd den Daumen hochreckte. »Schon heute Abend kannst du in der Zeit, die dein Freund Ryan braucht, um sich die Schuhe zuzubinden, durch halb Indiana rennen.« Ryan hatte mich im 800-m-Lauf in der Schule locker geschlagen. Danach hatte Dad mich zwar
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