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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler
Autoren: Monika Feth
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ohne ihre Erlaubnis nach den Schlüsseln suchen.«
    Während Bert sich im Zimmer umschaute, zog sie eine Wolldecke aus dem Schrank und deckte die alte Dame damit zu.
    »Und?«, fragte sie leise.
    Bert schüttelte den Kopf. Es gab nicht viele Möbel in diesem Raum und er hatte sie sich alle vorgenommen. Nichts.  Das bedeutete nicht zwangsläufig, dass Jette die Schlüssel an sich genommen hatte, machte es jedoch wahrscheinlich.
    Was hatte das Mädchen sich bloß dabei gedacht? Fluchend stürmte Bert auf die Straße hinaus, warf sich in den Wagen und raste los. Das würde wieder ein Wettlauf mit der Zeit werden. Falls die Zeit nicht bereits gewonnen hatte.
     
    Erst als Jette ins Zimmer kam, merkte Merle, wie groß die Angst gewesen war, die sie ausgestanden hatte. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und der Freundin um den Hals gefallen, aber Ben hinderte sie mit einem eisigen Blick daran. Wortlos nahm er Jette den Beutel mit den Einkäufen ab und durchsuchte ihn.
    Merle sah Jette die Erschöpfung an. Sie musste unbedingt ein paar Worte mit ihr wechseln. Aber wie? Ben hatte die Kontrolle beendet und wieder Position am Fenster bezogen. Grimmig starrte er auf den Weg hinaus. Er traute Jette nicht. Er traute niemandem. Wahrscheinlich nicht einmal sich selbst.
    Schon lange hatte er nichts mehr gesagt. Sein Schweigen war schlimmer als jede Drohung. Er legte sich einen Plan zurecht. Merle wagte nicht, sich vorzustellen, welche Rolle Jette und sie darin spielen würden.
     
    Die Kollegen, die für Blietmoor und Umgebung zuständig waren, machten am Telefon einen kompetenten und sympathischen Eindruck. Trotzdem hätte Bert wer weiß was dafür gegeben, an Ort und Stelle zu sein und die Fäden in der Hand behalten zu dürfen.
    Doch das war unmöglich. Der Zugriff musste so schnell wie möglich erfolgen, denn die Mädchen waren nicht nur einem Entführer ausgeliefert, sondern, wie Jette bei ihrem Anruf voller Entsetzen ausgesagt hatte, auch einem zweifachen Mörder.
    Erinnerungen schoben sich in Berts Gedanken. Bilder, die er lange vergeblich zu verdrängen versucht hatte. Immer wieder zeigten Jette und Merle ihm seine Grenzen auf. Immer wieder musste er begreifen, dass er weit davon entfernt war, unfehlbar zu sein.
    Ein langsamer Ermittler ist ein schlechter Ermittler.
    Wie oft hatte der Chef ihm das schon unter die Nase gerieben. Zu Recht. Vielleicht sollte Bert sich diese Weisheit in goldenen Lettern an die Wand seines Büros malen lassen. Vielleicht hatte er tatsächlich nicht das, was der Chef Biss  nannte.
    Vielleicht sollte er sich nach einem anderen Job umsehen.
    Er bestätigte die Angaben, die Jette gemacht hatte, und beschwor die Kollegen, unverzüglich einzugreifen. Zehn Minuten später preschte er über die Autobahn Richtung Norden.
     
    »Wie ist es passiert?«, unterbrach Mina ihr Schweigen.
    Wir drehten uns nach ihr um. Jeder von uns wusste sofort, wovon sie sprach.
    Ben zuckte mit den Schultern.
    »Das ist doch Schnee von gestern.«
    »Nicht für mich.«
    Er musterte sie nachdenklich. Als wollte er abschätzen, ob sie die Wahrheit vertragen würde. Mina hielt seinem Blick stand. Sie brauchte die Wahrheit. Um weiterzuleben.
    »Okay«, sagte Ben. »Okay.«
    Eine erwartungsvolle Spannung lag in der Luft. Und eine Stille, die beinah schmerzhaft war.
    »Dein Vater hat mich fertiggemacht. Wieder mal. Wegen einer Kleinigkeit. Wir wollten uns in der Fabrik treffen, um den  Gottesdienst vorzubereiten. Ich kam zu spät, weil ich noch eine Lieferung vorbereiten musste.«
    Ben warf einen nervösen Blick aus dem Fenster. Mein Herzschlag setzte aus. Ich hoffte, dass der Polizist mir geglaubt hatte. Ich hoffte, dass er mit dem Kommissar telefoniert hatte. Und ich betete, dass er nicht auf die Idee käme, einfach eine Streife vorbeizuschicken, um meine Angaben zu überprüfen.
    Das würde das Ende bedeuten.
    Dreh dich um, dachte ich. Bitte! Dreh dich um!
    »Er war in der Küche. Hatte Teewasser aufgesetzt. Und schnaubte vor Wut, weil ich ihn hatte warten lassen. Ich hatte kaum die Wohnung betreten, als er auch schon anfing, mich zu beschimpfen.«
    Es fiel Ben schwer, sich zu konzentrieren. Anscheinend befürchtete er immer noch, dass ich ihn verraten hatte. Er ließ das Fenster nicht aus den Augen.
    Dreh dich doch um!
    »Nachdem er mit mir fertig war, hat er Marlene beleidigt. Und dann die wüstesten Drohungen gegen dich ausgestoßen. Das volle Programm. Ich habe ihn angeguckt und gedacht, wie schön das sein müsste, wenn
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