Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
Ohren ganz rosig und spitz. Sie maunzte. Und dann fing sie an, sich zu putzen.
    Husch, husch. Du kannst hier nicht bleiben.
    Clarissa steckte den Daumen in den Mund und wiegte sich vor und zurück. Das half manchmal, wenn die Traurigkeit in ihrem Bauch aufquoll und dann alles überschwemmte.
    Aber manchmal half es nicht. Dann verkroch sie sich in der Höhle.
    Bisher war ihr die Angst noch nie bis dorthin gefolgt.
     
    Ben beobachtete verwundert, wie Mina sich in die hinterste Ecke des Sofas kauerte und am Daumen nuckelte wie ein kleines Kind. Er ging vor ihr in die Hocke und legte ihr die Hand aufs Knie.
    »Hab keine Angst«, sagte er. »Ich werde nicht zulassen, dass dir irgendwer was tut.«
    Ihre Reaktion erschütterte ihn. Sie schüttelte seine Hand ab, sprang auf und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Ihr Atem ging in kurzen Stößen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. Und dann über seine Schulter.
    Er nahm eine Bewegung am Fenster wahr.
    »Nicht!«
    Wimmernd lief Mina zum Fenster und schlug mit beiden Händen gegen das Glas. Die Katze, die sich auf der Fensterbank geputzt hatte, machte einen panischen Satz und verschwand. Im nächsten Moment war Jette bei Mina und zog sie in ihre Arme.
    »Lass sie los!«
    Jette gehorchte widerstrebend.
    Mina schluchzte leise. Tränen liefen ihr über die Wangen.
    Ben schob Jette beiseite. Er konnte es nicht ertragen, Mina so zu sehen.
    »Hör doch auf zu weinen«, sagte er.
    Doch plötzlich ging eine verblüffende Veränderung mit ihr vor. Sie hob den Kopf, stand ganz aufrecht und wischte sich mit einer raschen Bewegung über das Gesicht. In ihren Augen las er ein Staunen, in das sich langsam Grauen mischte.
    »Es war nicht Max«, sagte sie. »Es war auch nicht der Befehl des Vaters. Du hast meine Katze getötet.«
    Er mochte ihre Stimme nicht. Er wollte ihre Worte nicht hören. Sie machte ihn wütend. Wusste sie das nicht?
    »Warum, Ben?«
    Die Traurigkeit in ihren Augen war unerträglich. Was gab ihr das Recht, ihn anzuklagen?
    »Sie war doch noch ein Baby. Was hatte sie dir getan?«
    »Sie war dein Ein und Alles. Du hattest nur noch Augen für sie.«
    »Eifersucht?« Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Du hast sie getötet, weil du eifersüchtig warst?«
    »Nein.« Er streckte die Hand aus. »Weil ich dich geliebt habe. Damals schon.«
    »Das nennst du Liebe?«
    Sie drehte sich um. Sah zum Fenster. Dorthin, wo die Katze gesessen hatte.
    »Treibe mich nicht zum Äußersten«, sagte er leise. »Ich warne dich.«
    Er setzte sich an den Tisch und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Er durfte sich nicht provozieren lassen. Wie, zum Teufel, schaffte sie es immer wieder, ihn so in Rage zu bringen?
     
    Frau Stein stand noch immer unter Hochdruck. Sie arbeiteten mit halber Besetzung und das war bei einem Heim wie dem  St. Marien eigentlich gar nicht zu verantworten.
    »Sie können einem Demenzkranken nicht erklären, dass Sie keine Zeit für ihn haben«, sagte sie. »Abgesehen davon hat er ein Recht darauf, dass sein Wohlergehen im Vordergrund steht.«
    Bert wünschte sich mehr Menschen wie Frau Stein auf der Welt. Er wünschte sich, dennoch niemals in einem solchen Haus leben zu müssen. Und er wünschte sich, möglichst rasch einen Hinweis zu finden, der ihn zu den Mädchen führen würde. Drei Wünsche, dachte er. Fehlt nur noch die Fee, die sie mir erfüllt.
    »Schauen Sie sich um«, sagte Frau Stein. »Sprechen Sie, mit wem Sie wollen. Sollten Sie meine Hilfe benötigen, melden Sie sich bitte bei mir.«
    Bert schlenderte über den Flur im Erdgeschoss und durch den Speisesaal. Er stieg die Treppen hinauf und wieder hinunter. Niemand war zu sehen. Anscheinend hielten sich alle Bewohner in ihren Zimmern auf.
    Wieso war er noch einmal hierhergekommen? Wonach suchte er?
    Ich sollte hier abbrechen, dachte er, und ins Büro zurückfahren. Aber er hatte dieses Gefühl, das den Chef schon mehrmals an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte, eine durch nichts zu begründende Sicherheit, zum richtigen Zeitpunkt am rechten Ort zu sein.
    Also drehte er weiter die Runde und bewunderte aufs Neue die verständnisvolle Umsicht, mit der hier alles eingerichtet war. Die alten Möbel. Die Zierdecken auf den Tischen und Kommoden. Die porzellangesichtigen Puppen auf den Konsolen. Die Bücher, in stockfleckiges Leinen gebunden. Er konnte sich Jette gut vorstellen in dieser Umgebung, und er war sich sicher, dass die Heimbewohner sie mochten.
    »Besuch! Wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher