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Der Scheich

Titel: Der Scheich
Autoren: Edith Maude Hull
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Schicksal. Wenn ein Mädchen heiratet, muß es seine Unabhängigkeit aufgeben, obwohl die meisten modernen Frauen das Gegenteil behaupten. Noch nie habe ich irgend jemandem gehorcht. Daran wird sich nichts ändern. Ich bedauere, daß ich Sie enttäuschen muß, denn Sie waren wirklich ein wunderbarer Kamerad. Aber was Ihnen vorschwebt, existiert nicht für mich. Hätte ich geahnt, wie sehr unsere Freundschaft Sie eines Tages verletzen würde, wäre ich Ihnen aus dem Weg gegangen. Doch ich dachte nicht daran, weil ich mich niemals mit solchen Dingen befasse. Für mich ist ein Mann nur ein Gefährte, mit dem ich reiten oder jagen oder angeln kann; ein Freund, ein Kamerad, mehr nicht. Gott hat mich als Frau erschaffen. Warum, weiß nur er.»
Ihre leise, ruhige Stimme verstummte. Ihr kühler und gleichzeitig aufrichtiger Ton war Arbuthnot nicht entgangen. Sie hatte jedes einzelne Wort ernst gemeint und die reine Wahrheit gesagt. Daß sie männlicher Bewunderung gleichgültig gegenüberstand, wußte man ebenso, wie man ihren unerschütterlichen Mut und ihre eiserne Entschlußkraft kannte. Sie behandelte Sir Aubrey, als ob sie sein jüngerer Bruder gewesen wäre, und ging auch mit seinen Freunden dementsprechend um. Überall war sie beliebt, sogar bei den Müttern heiratsfähiger Töchter. Denn trotz ihrer Schönheit und ihres Reichtums stellte sie wegen ihrer exzentrischen Art auch für häßlichere wohlhabende Mädchen keine Bedrohung dar.
Schweigend blieb Arbuthnot neben ihr sitzen. Warum sollte ich erfolgreicher sein als andere Männer, die überdies mehr zu bieten haben, fragte er sich bitter. Es war albern gewesen, ihr einen Antrag zu machen. Doch er hatte der Versuchung nicht widerstehen können. Da er sie gut genug kannte, hätte er wissen müssen, wie ihre Antwort lauten würde. Nur die Angst um ihre Sicherheit und der Gedanke an die bevorstehende Expedition, ihre Nähe in der arabischen Nacht und die Musik aus dem Ballsaal hatten ihn bewogen, Worte auszusprechen, die normalerweise niemals über seine Lippen gekommen wären. Er liebte sie unsterblich, und er würde sie immer lieben, obwohl er wußte, daß es absolut hoffnungslos war.
Doch da ein Mann nur vor ihren Augen bestehen konnte, wenn er sich auch wie ein Mann verhielt, mußte er gute Miene zum bösen Spiel machen. «Darf ich Ihr Freund bleiben, Diana?» fragte er leise.
Forschend musterte sie ihn. Im schwachen Licht des Lampions hielt er ihrem Blick stand, und sie streckte ihm freimütig die Hand entgegen. «Gerne. Ich habe zahlreiche Bekannte, aber nur sehr wenige Freunde. Da Aubrey und ich ständig auf Reisen sind, finden wir kaum Zeit, Freundschaften zu schließen. Nur selten bleiben wir so lange an ein und demselben Ort wie hier in Biskra. In England nennt man uns schlechte Nachbarn, weil wir kaum daheim sind. Meistens verbringen wir im Winter drei Monate zu Hause und gehen auf die Jagd. Das restliche Jahr über vagabundieren wir rund um den Globus.»
Arbuthnot umfaßte ihre schmalen Finger. Nur mühsam widerstand er der wahnwitzigen Versuchung, ihre Hand an seine Lippen zu pressen. Das würde die neu gefestigte Freundschaft endgültig zerstören. Und so ließ er sie los. Seelenruhig blieb Miss Mayo neben ihm sitzen. Was geschehen war, bedrückte sie nicht im mindesten. Sie nahm ihn beim Wort. Nun behandelte sie ihn so wie den Freund, der er bleiben wollte. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, sich zu verabschieden, um seine Gefühle zu schonen, denn sie dachte nicht daran, daß ihre Gegenwart sein Leiden vergrößern könnte. Sie war weder verlegen noch befangen. Während sie stumm beisammensaßen, schweiften Dianas Gedanken in die ferne Wüste, und Arbuthnot grübelte über seine unerfüllbare Sehnsucht nach und machte sich Vorwürfe.
Da erhob sich eine leise Männerstimme in der nächtlichen Stille. «Pale hands I loved beside the Shalimar. Where are you now? Who lies beneath your spell?» sang ein leidenschaftlich tremolierender Bariton in englischer Sprache. Und doch klang der schleifende Übergang von einem Ton zum anderen merkwürdig fremdartig. Diana Mayo beugte sich vor, hob den Kopf und lauschte mit glänzenden Augen. Es war, als klänge die Stimme aus der Dunkelheit am hinteren Ende des Gartens. Sie konnte aber auch von der Straße, jenseits der Kaktushecke kommen.
Der Mann sang ganz langsam. Seine Stimme liebkoste jedes einzelne Wort. Leise und doch vernehmlich erstarb der letzte Vers und verhallte fast unmerklich in der
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