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Der Scheich

Titel: Der Scheich
Autoren: Edith Maude Hull
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ohne Gewissensbisse von und für Frauen darzustellen.
E. M. Hulls Thema ist der Reiz des Verbotenen. Deshalb muß man den rassistischen Unterton mit den Augen ihrer Zeit betrachten. Araber und andere dunkelhäutige Ausländer wurden 1919 als «Nigger» bezeichnet - minderwertig, gefährlich und hemmungslos. Was könnte faszinierender wirken? E. M. Hull geht davon aus, daß alle Frauen von Sex mit einem solchen Mann träumen.
Dabei spielt es keine Rolle, daß Ahmed Ben Hassan - ungemein attraktiv, kultiviert und männlich - nicht ist, was er scheint. Er verkörpert das Exotische und Primitive. «... Er war ein Araber, und eine Frau durfte von ihm keine Gnade erwarten», schreibt E. M. Hull atemlos. «... ein gesetzloser Barbar, der sie gefangengenommen hatte, um flüchtige Gelüste zu stillen ... Trotz seiner Grausamkeit liebte sie ihn, gerade wegen seiner Brutalität und seiner gewaltigen animalischen Kraft.»
In Wirklichkeit ist der Scheich kein Unmensch. E. M. Hull räumt die letzten quälenden Zweifel aus, indem sie ihn (etwas unfreundlich, offen gesagt) mit seinen Landsleuten vergleicht. Zu ihrem Entsetzen erfährt Diana, daß sein hübscher junger Leutnant mit zwei Frauen verheiratet ist. Hält auch Ahmed Ben Hassan irgendwo einen Harem versteckt? Offensichtlich nicht. Ist er überhaupt Moslem? Offensichtlich nicht. Und so verdichtet sich die Handlung.
Die Begegnung mit einem benachbarten Stammesfürsten unterstreicht, daß Hassan anders ist. Denn Diana bemerkt «einen starken, stechenden, für die Eingeborenen offenbar typischen Geruch, den sie in Ahmed Ben Hassans kühlem, luftigem, peinlich sauberem Zelt niemals wahrgenommen hatte». Der Nachbar ist schmutzig, skrupellos, verweichlicht und zwielichtig - einem populären Vorurteil jener Zeit zufolge waren die meisten arabischen Scheichs homosexuell und hielten Sex mit Frauen für eine unangenehme Pflicht. Man muß nur T. E. Lawrences «Die sieben Säulen der Weisheit» (1935) lesen - ein Werk, in dem das Arabien der Scheich-Ära beschrieben wird -, um E. M. Hulls oberflächliche Kenntnisse jener Kultur zu entlarven. Jedenfalls zerstreut sie alle Zweifel der normalen, in Vorurteilen verhafteten Leserschaft. Nicht nur Hassan selbst ist ein ganzer Mann. «In Ahmed Ben Hassans Umgebung existieren keine dekadenten oder weibischen Männer.»
Der Scheich ist ein solches Muster an Männlichkeit, daß er beinahe einem sprechenden Phallus gleicht. Und ein Phallus hat eben kein Gewissen. Von Dianas Schönheit bezaubert, muß er sie unbedingt besitzen. Und E. M. Hull wußte schon lange vor Nancy Friday, daß die meisten Frauen auf diese Weise begehrt werden wollen.
Wir kennen zwar Edith Maude Hulls blühende Phantasie, wissen aber leider nur sehr wenig über ihr Leben. Sie war mit einem Schweinezüchter in Derbyshire verheiratet und hatte weder ausgeprägte geistige Interessen noch ein Faible für die Literatur. Wie ihre faszinierende Romanheldin liebte sie Pferde, Sport, Reisen und Abenteuer - und zwar die Abenteuer im Schutz der britischen Kolonialherrschaft, die für billige, unterwürfige Gepäckträger sorgte.
Ihren ersten Roman, «Der Scheich», schrieb sie nicht, um ihn zu veröffentlichen. Damals tobte der Erste Weltkrieg, ihr Mann kämpfte an der Front, und sie war auf der Schweinefarm allein mit ihren Phantasien zurückgeblieben. Als das Buch am Ende des Krieges erschien, mußten sich die Frauen gerade an eine drastische Änderung ihres Status gewöhnen. Während der Kriegsjahre hatten die Frauen der Mittelschicht die Unabhängigkeit des Berufslebens kennengelernt. Danach wurden die über Dreißigjährigen zwar mit dem Wahlrecht belohnt, aber durch die Kriegsheimkehrer vom Arbeitsmarkt verdrängt. Die Gesellschaft erwartete, daß sie an den häuslichen Herd zurückkehrten. Doch für Millionen von ihnen gab es keinen häuslichen Herd. Eine ganze Generation heiratsfähiger Männer war dezimiert worden, der Prozentsatz lediger Frauen gestiegen. Und viele, die seufzend und bebend den «Scheich» lasen, befürchteten vermutlich, als Jungfrauen zu sterben. Deshalb traf der Roman den Nerv zahlreicher unzufriedener, frustrierter Leserinnen.
Interessanterweise deutet Hull an, daß ihre Zeitgenossinnen an der Ehe zweifelten. Sehnte sie die Rückkehr ihres Mannes herbei, oder hatte sie Angst davor?« Daß sich Frauen der entwürdigenden Intimität und Einschränkung des Ehelebens unterwarfen, erfüllte sie [Diana] mit Verachtung und Staunen. Unwiderruflich dem Willen und
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