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Der Scheich

Titel: Der Scheich
Autoren: Edith Maude Hull
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wo Diana immer noch stand, stieg er die paar Stufen hinauf. «Was für ein Glück, Miss Mayo!» begann er mit gespieltem Selbstvertrauen.
«Darf ich zu hoffen wagen, daß Sie noch keinen Partner erhört haben?»
Sie wandte sich ihm zu, eine zarte Falte zwischen den schön geschwungenen Brauen. Offenbar mißfiel ihr die Störung ihrer Gedankengänge. Aber dann lächelte sie. «Ich sagte, ich würde erst tanzen, wenn alle anderen sitzen», erwiderte sie und musterte skeptisch das überfüllte Parkett.
«Leider tanzen sie alle. Nachdem Sie Ihre Pflichten so charmant erfüllt haben, sollten Sie diese mitreißende Melodie nicht versäumen», drängte er.
Sie klopfte zögernd mit dem Programmbleistift gegen ihre Zähne und schnitt eine Grimasse. «So viele Gentlemen habe ich schon abgewiesen. Die würden böse auf mich sein, wenn ich Sie bevorzuge ...» Plötzlich lachte sie. «Also gut, kommen Sie. Für mein schlechtes Benehmen bin ich ohnehin schön bekannt, da spielt eine Sünde mehr oder weniger auch keine Rolle.»
Arbuthnot tanzte ausgezeichnet. Aber die Nähe des Mädchens, das er im Arm hielt, verschlug ihm die Sprache. Ein paarmal wirbelten sie durch den Saal, dann hielten sie bei einer offenen Glastür inne, wanderten in den Hotelgarten und setzten sich auf Korbstühle unter einen grellbunten Lampion. Das Orchester spielte immer noch. Im Augenblick war der Garten noch menschenleer, schwach beleuchtet von den kleinen Lampen, die an Palmwedeln hingen und die gewundenen Pfade säumten. Der junge Mann beugte sich vor, die gefalteten Hände zwischen den Knien. «Eine so gute Tänzerin wie Sie ist mir noch nie begegnet», versicherte er, ein wenig außer Atem.
Ernsthaft und unbefangen schaute sie ihn an. «Es fällt einem leicht zu tanzen, wenn man musikalisch ist und seinen Körper beherrscht. Offenbar lernen nur wenige Leute, ihre Gliedmaßen zu steuern. Meine mußten mir schon gehorchen, als ich ein kleines Kind war.»
Dieser unerwarteten Antwort folgte ein längeres Schweigen. Das Mädchen an Arbuthnots Seite wollte es offensichtlich nicht brechen. Mittlerweile war der Tanz beendet worden, und die Gäste strömten in den Garten. Als die Kapelle eine neue Melodie anstimmte, kehrten sie in den Saal zurück.
«Es ist wirklich nett hier im Garten», sagte Arbuthnot schüchtern. Sein Herz klopfte ungewöhnlich schnell, und seine Augen, die er starr auf die ineinander verkrampften Hände gerichtet hielt, nahmen einen sehnsüchtigen Ausdruck an.
«Soll das heißen, daß Sie nicht tanzen, sondern lieber hier sitzen bleiben möchten?» fragte Diana. Ihre freimütige, jungenhafte Art verwirrte ihn.
«Äh, ja», stammelte er verlegen.
Sie hielt ihr Programm ins Laternenlicht. «Diesen Tanz habe ich Arthur Conway versprochen. Jedesmal, wenn wir uns treffen, streiten wir. Ich verstehe nicht, wieso er mich um einen Tanz gebeten hat, denn er mißbilligt mein Verhalten noch entschiedener als seine Mutter - eine alte Dame, die sich in alles einmischt. Sicher wird er sich erleichtert fühlen, wenn ich ihn verschone. Und heute abend mag ich nicht mehr tanzen, weil ich mich so unbändig auf morgen freue. Also werde ich hierbleiben und mit Ihnen reden. Aber Sie müssen mir eine Zigarette anbieten, um mich bei Laune zu halten.»
Als er ihr Feuer gab, zitterte seine Hand ein wenig. «Wollen Sie diese Expedition wirklich unternehmen?»
Erstaunt sah sie ihn an. «Warum nicht? Ich habe sie schon vor einiger Zeit geplant. Wieso sollte ich meine Meinung in letzter Sekunde ändern?»
«Und warum läßt Ihr Bruder Sie allein verreisen? Warum begleitet er Sie nicht? Natürlich habe ich kein Recht, solche Fragen zu stellen. Nun, ich tu's trotzdem!» stieß er ungestüm hervor.
Lachend zuckte sie die Achseln. «Im Augenblick stehen Aubrey und ich auf Kriegsfuß miteinander. Er will nach Amerika, ich in die Wüste. Zwei Tage und eine halbe Nacht haben wir gestritten, ehe wir einen Kompromiß schlossen. Ich erforsche die Wüste, und er fährt nach New York. Zum Dank für mein Versprechen, ich würde ihm einen Monat später in die Staaten folgen, wird er meine Karawane im Anfangsstadium mit seiner Anwesenheit beehren und mich dann mit seinem brüderlichen Segen entlassen. Aber es ärgert ihn maßlos, daß er mir nicht befehlen konnte, mit ihm zu reisen. Zum erstenmal können wir uns nicht auf ein Ziel einigen. Ich bin vor ein paar Monaten volljährig geworden. In Zukunft kann ich tun und lassen, was mir beliebt. Nicht, daß ich jemals was anderes
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