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Der Scheich

Titel: Der Scheich
Autoren: Edith Maude Hull
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gepackt auf dem Boden. Nur ein paar Kleinigkeiten mußten noch hinein. Daneben befand sich der Uberseekoffer, den Sir Aubrey auf der Durchreise nach Paris bringen würde. Auf der Chaiselongue war die Reitkleidung ausgebreitet, die Diana morgen tragen wollte. Beim Anblick der elegant geschnittenen Reithose und der hohen braunen Stiefel vertiefte sich ihr Lächeln. Fast ihr ganzes bisheriges Leben hatte sie in Reithosen und Stiefeln verbracht. Darin fühlte sie sich viel wohler als in den hübschen Kleidern, über die sie mit Arbuthnot gesprochen hatte.
Endlich war der Ball vorbei. Solche Festivitäten interessierten sie nicht sonderlich. Jetzt dachte sie nur noch an die bevorstehende Reise. Lachend reckte sie die Arme.
«So stelle ich mir das Leben vor. Und morgen fängt es wieder an.» Sie schlenderte zum Toilettentisch, stützte die Ellbogen darauf und lächelte ihr Spiegelbild an. Mangels anderer Vertrauter hatte sie die Angewohnheit entwickelt, Selbstgespräche zu führen. Ohne ihre Schönheit zu beachten, starrte sie das Gesicht in der Glasscheibe an. Wenn sie sich mit ihrer äußeren Erscheinung befaßte, dann nur mit ihrem Haar, dessen Farbe ihr mißfiel. Jetzt betrachtete sie sich fast ein bißchen neugierig. «Warum bin ich heute abend so glücklich? Ich glaube, weil wir so lange in Biskra waren. Sicher, es war amüsant. Aber zuletzt begann ich mich zu langweilen.» Sie lachte wieder und zog ihre Uhr auf. Auch das gehörte zu ihren Eigenarten. Sie trug keinen Schmuck, und die goldene Repetieruhr, die sie in der Hand hielt, war an einem schlichten Lederband befestigt.
Nachdem sie ihren dünnen Pyjama und einen Schlafrock übergestreift hatte, zündete sie sich eine Zigarette an und trat auf den breiten Balkon. Ihr Schlafzimmer lag im ersten Stock. Gegenüber der Glastür ragte ein kunstvoll gemeißelter Pfeiler empor, der den Balkon der oberen Etage stützte. Diana blickte in den Garten hinab. Wie leicht wäre es, da hinunterzusteigen, dachte sie und grinste jungenhaft - viel einfacher als andere Klettertouren, die sie unternommen hatte, wenn die Sehnsucht nach einsamen Expeditionen unwiderstehlich geworden war. Aber der Orient eignete sich nicht für solche Experimente. Viele einheimische Diener hatten die schlechte Angewohnheit, sich einfach hinzulegen und zu schlafen, wo immer sie von ihrer Müdigkeit überwältigt wurden. Erst vor kurzem war Diana von ihrem Balkon gesprungen und auf einem Schläfer gelandet, dessen Geschrei das halbe Hotel geweckt hatte. Als sie sich nun über das Geländer beugte und zur Veranda hinabsah, entdeckte sie ein Stück weißen Stoff. Doch als sie noch einmal hinunterspähte, war es verschwunden. Sie schüttelte den Kopf, schnitt eine Grimasse und schwang sich auf die breite Balustrade. Den Kopf an die Säule gelehnt, blickte sie über den Hotelgarten hinweg in die Nacht und summte leise das Kaschmir-Lied, das sie an diesem Abend gehört hatte.
Im hellen, kalten Licht des aufsteigenden Vollmonds füllte sich der Park mit seltsamen schwarzen Schatten. Sie beobachtete, wie sie sich bewegten, so als würden eilige Gestalten durch den Garten kriechen. Zum Zeitvertreib folgte sie ihnen mit den Augen bis zu den Palmen oder Kakteen. Einen dieser Schatten mußte sie besonders lange jagen, bis er sie schließlich zu seinem Ursprung führte, einer grotesken Bleistatue, halb verborgen hinter einem blühenden Busch. Diana vergaß die späte Stunde und die offenen Fenster ringsum und brach in lautes Gelächter aus. Undeutlich sah sie die Umrisse eines Mannes durch das Gitter, das sie vom Nachbarbalkon trennte, und sie verstummte sofort.
«Um Himmels willen, Diana!» klagte eine ärgerliche Stimme. «Wenn du nicht schlafen kannst, gönn doch wenigstens anderen Leuten ihre Ruhe.»
«Was vermutlich heißt, ich soll Sir Aubrey Mayos kostbaren Schlaf nicht stören», erwiderte sie kichernd. «Mein lieber Junge, ich verstehe nicht, wie du in einer solchen Nacht schlafen kannst. Hast du jemals einen so wundervollen Mond gesehen?»
«Ach, zum Teufel mit dem Mond!»
« Schon gut, reg dich nicht auf. Geh wieder ins Bett und zieh dir die Decke über den Kopf. Dann wirst du den Mond nicht mehr sehen. Ich will noch eine Weile hier sitzen.»
«Sei nicht albern, Diana! Wenn du einschläfst, fällst du in den Garten hinunter und brichst dir den Hals.»
«Tant pis pour moi. Tant mieux pour toi» [Je schlimmer für mich, desto besser für dich], entgegnete sie schnippisch. «Alles, was ich in dieser Welt
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