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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)
Autoren: Martin Barkawitz
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fürchtet sich vor Helligkeit und lauten Geräuschen. Schließlich hat ihn die Tollwut vollständig gelähmt und er stirbt am Lungenversagen. – Nein, mein Lieber, als Cholerakranker haben Sie wenigstens eine Überlebenschance.«
    Boysen fühlte sich wie elektrisiert. Die Symptome, die der Arzt soeben geschildert hatte, trafen ausnahmslos bei Carl Lütke zu.
    »Könnte so ein Tollwutkranker auch eine Frau totbeißen?«, fragte Boysen aufgeregt.
    Der Mediziner zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Wenn er genug Zorn in sich hat, wenn die Krankheit ihn also schlimm erwischt hat – das wäre denkbar. Der Mensch verfügt über kein Raubtiergebiss, wie Ihnen vielleicht bekannt ist. Doch auch wir können hemmungslos zubeißen und damit sehr viel Schaden anrichten. Ein Tollwutkranker ist im Prinzip ein Irrer, Offiziant Boysen. Er hat sich nicht mehr unter Kontrolle.«
    »Und er stirbt auf jeden Fall an der Krankheit?«, hakte Boysen eifrig nach. »Wie lange dauert es, bis der Tod eintritt?«
    »Das hängt von der Konstitution des Patienten ab. Aber länger als ein paar Tage wird es nicht dauern, denke ich. – Hören Sie, ich wollte Ihnen keine Angst einjagen, Offiziant Boysen. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ein Cholerapatient Überlebenschancen hat – und ein Tollwutkranker nicht.«
    »Das habe ich schon begriffen«, flüsterte Boysen matt. Die Aufregung hatte seinen ausgemergelten Körper erneut erschöpft. Außerdem war seine Körpertemperatur immer noch zu hoch, wie die Messung mit dem Fieberthermometer ergeben hatte.
    Dr. Schmidtbauer verordnete dem Offizianten weiterhin Ruhe und viel Flüssigkeit. Dann klopfte er ihm aufmunternd auf die Schulter und eilte zum nächsten Patienten.
    Boysen dachte nach, denn dazu hatte er ja nun mehr als genug Gelegenheit. Bei seinen Verdächtigungen gegen Carl Lütke hatte ihm bisher stets ein überzeugendes Motiv gefehlt. Die Tagebucheintragungen des jungen Tunichtguts aus einer alteingesessenen Patrizierfamilie ließen weder auf Frauenhass noch auf einen Hang zur Gewalttätigkeit schließen. Und Geldgier konnte ebenfalls kein Grund für die Bluttaten sein, denn die Opfer waren ausnahmslos arm wie Kirchenmäuse.
    Doch wenn Carl Lütke auf einem seiner nächtlichen Streifzüge durch Hafen und Gängeviertel von einem tollwütigen Tier gebissen worden war, hatte die Krankheitsübertragung bei ihm diesen beispiellosen Blutrausch ausgelöst.
    Der Offiziant hatte einmal gelesen, dass Tollwut meist durch Hunde, Füchse oder Fledermäuse auf den Menschen übertragen wurde. Es spielte im Grunde keine Rolle, was für ein Tier es gewesen war.
    Doch wieso fiel der tollwütige Carl nur über Frauen her? Möglicherweise war es Zufall oder der Mörder tat es, weil Männer sich besser wehren konnten. Boysen musste nicht unbedingt verstehen, was im Hirn eines rasenden Tollwutkranken vor sich ging.
    Der Offiziant überlegte, ob er Kwan Lok eine Warnung zukommen lassen sollte. Am Ende fiel Carl Lütke noch einen der Chinesen an, die ihm auf den Fersen waren. Aber Boysen wusste nicht, wie er von seinem Krankenbett aus mit dem Drachenkopf in Verbindung treten sollte. Außerdem konnten die Buttjes des Verbrecherkönigs sehr gut auf sich selbst aufpassen. Bevor sie sich von Carl Lütke verletzen ließen, würden sie ihm eher den Kopf absäbeln. So wie sie es mit Heinrich Wallmann getan hatten.
    Wenn die Chinesen den Täter nicht bald erwischten, würde sich das Problem von selbst lösen. Carl Lütke würde an der Krankheit zugrunde gehen, wenn Boysen den Arzt richtig verstanden hatte. Eine Rettung gab es nicht.
    Boysen drehte sich auf der durchgelegenen Matratze auf die Seite. Das hier war der seltsamste Kriminalfall, den er jemals bearbeitet hatte. Mörder und Polizeibeamter waren erkrankt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Boysen war nun entschlossener als je zuvor, wieder gesund zu werden. Er wollte auf jeden Fall miterleben, wie die Leiche des Mädchenmörders aus irgendeinem Verschlag gezogen wurde, in den sich Carl Lütke zum Sterben verkrochen hatte.
    Boysen hätte gerne den Frauenzerfleischer selbst zur Strecke gebracht. Aber allein die Vorstellung, aufstehen zu müssen, verursachte bei ihm einen Schwächeanfall. Ob es ihm gefiel oder nicht – er würde einstweilen im Bett bleiben müssen.
    Der Offiziant hoffte nur, dass nicht noch eine weitere Frau Carl Lütke zum Opfer fiel, bevor der Tollwütige endlich verreckte.
     
    Anna Dierks war geschockt und betrübt, als sie von Boysens
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