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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)
Autoren: Martin Barkawitz
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du! Ich schreie ...!«
    Und dann tat sie es wirklich. Doch der Mann ließ sich davon nicht beeindrucken. Er jagte auf das Freudenmädchen zu. Marie versuchte, davonzulaufen. Doch das bodenlange Kleid und die Unterröcke bremsten ihre Geschwindigkeit, außerdem war sie betrunken.
    Eine leichte Beute für die wilde Bestie.
    In den letzten Minuten ihres Lebens lernte Marie echte Todesangst kennen. Ihr Schrei verstummte, weil die Furcht ihr die Kehle zuschnürte. Im Hafen gab es viel Gesindel, und Marie hatte schon mit richtigen Dreckskerlen zu tun gehabt. Doch dieser Mann – falls es ein Mann war – übertraf alles. Die Prostituierte begriff, dass sie keine Chance mehr hatte. Es war nicht die Frage, ob sie sterben würde, sondern nur, wie lange es bis zu ihrem sicheren Tod dauerte.
    Marie fiel in ein Meer von Schmerzen. Sie sah rot und erkannte, dass es ihr eigenes Blut war. Dieser Teufel in Menschengestalt bearbeitete sie mit Tritten und Schlägen. Schließlich verlor sein Opfer das Bewusstsein.
    Marie war schon ohnmächtig, als sie von dem Mörder totgebissen wurde.

 
     
     
    1. Kapitel: Die Brooktorwache
     
    »Wir melden uns ab«, sagte Polizei-Offiziant Lukas Boysen und schob sich ein Stück Kautabak in den Mund. Die Turmuhr von St. Katharinen schlug die zwölfte Nachtstunde, und bisher war der Dienst auf der Brooktorwache eher ruhig gewesen.
    »Alles klar, bis später«, gab Constabler Brügge zurück, bevor er die Stahlfeder erneut ins Tintenfass tunkte, um an seinem Bericht weiterzuarbeiten.
    Boysen trug als Offiziant die Verantwortung für die Wache mitten auf der Wandrahminsel im Hafen, die mit 20 Constablern besetzt war. Die Vorgesetzten erwarteten von ihm, dass er im Wachlokal hocken blieb wie die Spinne im Netz – Gesäßfleischarbeit. So pflegte Boysen den Stubendienst jedenfalls selbst zu nennen, und er war kein Freund der Tätigkeit am Schreibpult.
    Also nutzte er jede Gelegenheit, um höchstpersönlich durch sein Revier zu patrouillieren. In dieser Nacht wollte er gemeinsam mit Constabler Enno Okkinga auf Streife gehen, einem schweigsamen Friesen mit einem langen Pferdegesicht.
    Boysen strich seinen dunkelblauen Waffenrock glatt. Er platzierte den hohen Helm mit Kugelspitze, Hamburger Wappen und Polizeistern auf seinem knochigen Schädel. Okkinga folgte seinem Beispiel. Die beiden Ordnungshüter traten aus der Brooktorwache hinaus in die milde Sommernacht. Im Gleichschritt wandten sie sich zunächst nach Osten, Richtung Holländischer Brook. Boysen legte die linke Hand auf die Glocke seines Säbels, den er am schwarzen Koppel trug. Die rechte Hand spielte mit dem Dienststock. Okkinga hingegen hatte beide Hände um seinen Dienststock geklammert und die Arme hinter dem Rücken verschränkt, wie es seine Gewohnheit war. Der Friese ging leicht gebückt, als ob er einen zentnerschweren Kartoffelsack schleppen müsste.
    »Bin mal gespannt, wie viele Auswanderer uns heute über den Weg laufen«, meinte Boysen, um etwas zu sagen. Seit Jahren strömten tausende und abertausende von Menschen nach Hamburg, um sich von dort aus nach Amerika einzuschiffen. Die meisten von ihnen kamen aus Russisch-Polen und der Ukraine. Sie sprachen kein Deutsch und wollten so schnell wie möglich Europa verlassen, denn ihr Geld reichte meist nur für die Passage nach New York. Den Aufenthalt in Hamburg konnten sie sich eigentlich gar nicht leisten.
    Okkinga erwiderte nichts, aber daran hatte sich Boysen schon gewöhnt. Der pferdegesichtige Friese war unglaublich mundfaul. Aber Boysen ging trotzdem gern mit ihm auf Patrouille, denn er wusste Okkingas Zuverlässigkeit und Genauigkeit zu schätzen. Außerdem erwies sich der stille Mann als ein harter Kämpfer, wenn sie in eine Schlägerei gerieten. Und das kam nicht gerade selten vor.
    Am Holländischen Brook gab es noch ein paar düstere Ecken, die von den neuen elektrischen Straßenlampen nicht ausgeleuchtet wurden. Aus der Finsternis tönte den beiden Ordnungshütern ein unterdrücktes Keuchen entgegen.
    Boysen griff zu seiner Blendlaterne. Seine andere Hand glitt in die Tasche des Waffenrocks und umfasste den Griff seines Bulldogg-Revolvers. Schusswaffen gehörten eigentlich nicht zur Ausrüstung des Hamburger Constabler Corps. Lediglich die Patrouillen in den ländlichen Außenbezirken der Stadt waren mit Karabinern ausgerüstet. Boysen, der es mit den Dienstvorschriften ohnehin nicht so genau nahm, hatte sich seinen Sechsschüsser privat gekauft. Er wollte sich nicht von
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