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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)
Autoren: Martin Barkawitz
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gelaufen. Der Norweger war besoffen, Herr Offiziant. Er hatte selber schuld.«
    »Natürlich, klar«, meinte Boysen verächtlich. »Und was ist mit seiner Geldbörse?«
    »Die hat er verloren, jedenfalls glaubte ich das. Der Norweger bekam Verstärkung von einigen seiner Schiffskameraden, und Hein und ich mussten verschwinden. Aber der Kerl war sternhagelvoll. Ich war mir sicher, dass ihm sein Geld irgendwo hier aus der Tasche gefallen ist.«
    Das klang schon plausibler als ein verträumter Mondscheinspaziergang des Hafenschlägers, wie Boysen fand. Er fragte: »Du bist also allein zurückgekommen, weil du nicht mit Hein Gessens teilen wolltest?«
    Lüders nickte. »Ich war gerade am Suchen, da hörte ich die Schreie des Mädchens. Und ... und dieses Knurren. Das werde ich noch im Ohr haben, wenn ich auf dem Totenbett liege!«
    »Ein Knurren von einem wilden Tier?«, vergewisserte sich Boysen.
    »Das dachte ich auch erst«, sagte Lüders und trat seine Zigarettenkippe aus. »Aber dann habe ich den Kerl gesehen, wie er geflohen ist.«
    »Weißt du, was ich nicht verstehe?«, fragte Boysen. »Du bist doch ein harter Bursche, Paul. Seit wann gehst du einer Hauerei aus dem Weg? Warum bist du dem Mädchen nicht zu Hilfe gekommen? Vielleicht hätte sie dich als ihren edlen Retter dann später im Bett erhört ...?«
    Lüders schüttelte den Kopf. Er nahm seine Mütze ab und wischte sich den Schweiß von der bleichen Stirn. »Im ersten Moment wollte ich das tun, Herr Offiziant. Aber dann ... ich hatte Schiss, wie noch niemals zuvor. Ich habe in der Dunkelheit nicht genau sehen können, was dieser Teufel mit dem armen Mädchen gemacht hat. Aber ich habe es gehört ... oh Gott, ich habe es gehört!«
    Der Tagelöhner presste sich die Fäuste auf die Ohren, als hätte er die Geräusche des Tötens immer noch im Kopf. Vielleicht ist das auch wirklich so , dachte Boysen. Er sagte: »Kannst du mir den Mörder beschreiben?«
    »Es war finster. Aber ich bin mir sicher, dass der Kerl ein Schauermann war.«
    »Wie kannst du das wissen, bei der Dunkelheit?«
    »Als der Mörder fortlief, habe ich ihn kurz von hinten unter einer Laterne gesehen. Blaue Büx, Joppe, Mütze und Zampel über der Schulter. Ein echter Schauermann eben. Er war ungefähr so groß wie ich. Aber es dauerte nur einen Moment, dann war er bei St. Annen in der Finsternis verschwunden.«
    »Haarfarbe, Tätowierungen?«, bohrte Boysen nach.
    Lüders schüttelte erneut den Kopf. »Dafür war ich zu weit weg.«
    »Wie lange ist es her, dass die Frau ermordet wurde?«, wollte Boysen wissen.
    »Ich habe keine Uhr. Aber die Glocken von St. Annen hatten schon Mitternacht geschlagen.«
    Der Offiziant zückte seine eigene Taschenuhr. Es war inzwischen kurz nach ein Uhr morgens. Es waren vielleicht schon 20 Minuten seit dem Mord vergangen. Oder noch mehr Zeit. Im Hafen gab es tausende und abertausende von Schauermännern, und viele von ihnen arbeiteten auch nachts. Im Umkreis von nur 20 Meilen befanden sich mindestens zwei Dutzend Schiffe, die von den Hafenarbeitern be- oder entladen wurden. Trotzdem wollte Boysen versuchen, dieses Dreckschwein zu erwischen.
    Er zog seine Signalflöte aus dem Waffenrock und blies hinein. Es dauerte nicht lange, bis die Constabler Peters, Tobergte, Laurent und Sattmann angelaufen kamen. Sie waren in anderen Teilen der Wandrahminsel auf Streife gewesen. Okkinga hielt seine Blendlaterne immer noch auf den Leichnam gerichtet. Der unerfahrene junge Laurent musste sich sofort übergeben, als er die tote Frau sah.
    »Ihr seht euch die Schauermänner auf den Kais genau an!«, befahl Boysen. »So, wie der Mörder hier gewütet hat, muss seine Joppe voll mit Blut sein. Der Kerl, der die Kleine auf dem Gewissen hat, ist ein Schauermann. Ihr seht ja selbst, wie das Opfer aussieht. Wenn der Mörder Sperenzchen macht, nehmt den Säbel und haut ihn in Stücke, Männer! Riskiert nicht euer eigenes Leben!«
    Die Constabler nickten entschlossen und zogen ihre Säbel blank. Dann machten sie sich auf, um am Brooktorkai, am Sandtorkai und am Oberhafen nach dem Mörder zu fahnden. Dieses Bemühen glich der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen, das wusste Boysen selbst. Aber er musste jetzt endlich Maßnahmen einleiten. Er deutete mit dem Zeigefinger auf den schweigsamen Friesen.
    »Okkinga, du läufst zur Brandstwiete und klopfst den alten Doktor Ahler aus dem Bett! Er soll kommen und sich die Leiche anschauen. Vielleicht kann uns der Quacksalber ja sagen, ob nun
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