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Der Schatz des Dschingis Khan

Der Schatz des Dschingis Khan

Titel: Der Schatz des Dschingis Khan
Autoren: Monika Felten
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mit besorgter Miene an das Wasserbecken eines steinernen Brunnens trat.
    »So schnell schon?«, murmelte sie, fuhr sich mit der Hand müde über die Augen und seufzte. In all den Jahrhunderten, die sie als Letzte der alten Götter nun schon zu verhindern versuchte, dass die großen Geheimnisse der Menschheit von Wissenschaftlern und Archäologen entdeckt wurden, war es noch nie vorgekommen, dass sie so kurz hintereinander aktiv werden musste.
    Es war doch gerade erst ein paar Wochen her, dass Ascalon, ihr getreuer Diener, seine erwählte Seelengefährtin Muriel ins Reich der Maya getragen hatte, um dort einen Codex mit geheimen Aufzeichnungen gegen ein unbedeutendes Stück Rindenpapier auszutauschen. Und nun gab es für die beiden schon wieder etwas zu tun. Die Göttin seufzte erneut und schaute auf die spiegelnde Oberfläche des Brunnens, wo sich das Bild des alten Mannes nun klar und deutlich abzeichnete. Das rostige Kleinod wie einen Schatz an sich gepresst, humpelte er unter Schmerzen vom Feld. Der Anblick zauberte ein Lächeln auf das Gesicht der Göttin.
    »Nun, auch wenn ich nicht mehr so mächtig bin wie einst«, murmelte sie selbstzufrieden, »bin ich immer noch stark genug dich in deinem Eifer zu bremsen, John Rutherford Parker. Die Launen des Schicksals sollte man nicht unterschätzen.«
    Die Göttin machte eine knappe Handbewegung und das Bild auf der Wasserfläche verblasste. Sie hatte genug gesehen. Der magische Schlüssel, der eintausendfünfhundert Jahre zuvor durch ihre Unachtsamkeit verloren gegangen war und seitdem als verschollen galt, war wieder aufgetaucht. Und nicht nur das, er befand sich im Besitz eines Mannes, der durchaus in der Lage war, das Rätsel zu lösen, das dieser Schlüssel in sich barg. Der Hexenschuss würde ihn nicht lange ans Bett fesseln. Eile war geboten. Sie hatte keine Wahl. Sie würde Muriel und Ascalon auf eine Reise in die Vergangenheit schicken müssen. Diesmal war sie besser vorbereitet als beim letzten Mal, aber das war nur ein schwacher Trost: Der Zeitpunkt war alles andere als günstig.
    Muriel würde auch diesmal all ihr Geschick aufwenden müssen, um das Geheimnis zu schützen. Das Schicksal des magischen Reiches Avalon lag allein in ihren Händen.

Nächtlicher Besuch

    Auf dem Hof war es dunkel.
    Die Lampe an der Stallwand beleuchtete zwar die Tür vor der Boxengasse, aber auch nicht viel mehr. Vivien nahm all ihren Mut zusammen und hetzte über den Hof. Seit sie in den Sommerferien eine unheimliche Gestalt auf der Wiese hinter dem Stall gesehen hatte, beschlich sie im Dunklen immer ein mulmiges Gefühl. Vor allem, wenn sie allein war. Mit ihren sieben Jahren fühlte sie sich allerdings schon viel zu groß, um das zuzugeben. Mirko, ihr zehn Jahre alter Bruder, und Muriel, die sieben Jahre älter war als sie, hatten schließlich auch keine Angst.
    Sie wollte zu Nero, ihrem Percheron-Wallach, und ihm wie jeden Abend seine Leckerli bringen. Sie war heute spät dran, aber sie hatte es mal wieder geschafft, Teresa, die Haushälterin des Birkenhofs, breitzuschlagen, so kurz vorm Schlafengehen noch mal in den Stall zu dürfen. Ohne seine Leckerli und ein paar Extra-Streicheleinheiten konnte Nero bestimmt nicht gut einschlafen.
    Die zwei Äpfel in der einen, ein Kartoffelschälmesser in der anderen Hand, huschte sie in Windeseile durch die Dunkelheit, erreichte mit klopfendem Herzen die Stalltür, schlüpfte hindurch ins Licht und atmete auf. Nero stand allein in der Box. Die anderen Pferde, die auf dem Birkenhof ihr Gnadenbrot bekamen, und Ascalon, Muriels Pferd, waren alle auf der Weide, weil die Spätsommernächte noch so schön mild waren. Der alte Percheron-Wallach hingegen kränkelte ein wenig, daher hatte ihre Mutter erlaubt, dass er nachts in den Stall durfte.
    »Hallo, Nero!«, sagte Vivien und strich dem Kaltblüter sanft über den breiten Nasenrücken. »Ich hab dich nicht vergessen. Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe.« Sie hob die Hand und ließ Nero an den Äpfeln schnuppern. Dieser schnaubte erfreut und schnappte danach, aber Vivien zog die Hand schnell zurück. »Nicht so hastig«, sagte sie lachend. »Die sind doch viel zu groß für einen zahnlosen Opa wie dich. Ich muss sie erst noch klein schneiden.«
    Sie ging an der Box entlang, um die Äpfel in den Futtertrog zu schnippeln, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung weiter hinten im Stall bemerkte.
    Da ist jemand!, schoss es ihr durch den Kopf. Sie hielt den Atem an und lauschte, wagte es aber
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