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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition)
Autoren: Chris Moriarty
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noch voller Rätsel. Sie werden es nicht glauben, ich habe mal in Moskau in einem Theater gearbeitet, wo – aber was rede ich, da kommt Pearl! Sie kann Ihnen alles erzählen.«
    Obwohl Goldfaden gezögert hatte, Pearl eine Dame zu nennen, sah Pearl Schneiderman durchaus nicht wie die angemalten Kokotten aus, mit denen sich – wollte man Saschas Mutter glauben – Onkel Mordechai herumtrieb. Sie benutzte keine auffällige Schminke, und die adrette Bluse und der lange Wollrock verhüllten sie vom Halsansatz bis zu den Fußknöcheln. Tatsächlich sah sie aus wie ein nettes jüdisches Mädchen von der Lower East Side. Nun, abgesehen von der Manie, mit ihren Fingern zu knacken, die so beängstigend biegsam waren, dass sie damit fast den Handrücken erreichte.
    »So«, sagte Wolf, als er schließlich am springenden Punkt der Angelegenheit angekommen war, »Sie haben also die Inquisitoren benachrichtigt, und zwar, wie Mr Goldfaden meint, wegen gewisser Gerüchte, die sich um die Person des Toten rankten.«
    »Das ist doch alles Unfug!«, schaltete sich Goldfaden ein. »Was soll Gutes dabei herauskommen, solch leeres Geschwätz zu verbreiten?«
    Wolf starrte Goldfaden mit trüben Augen an. Sein Blick war weder beängstigend noch Furcht einflößend, ja man konnte es nicht einmal Starren nennen, so geistesabwesend schien er dabei zu sein. Aber dieser Blick hatte Sascha schon so oft gegolten, dass er wusste, wie verlegen sich der Betreffende fühlte.
    Goldfaden wand sich und schluckte nervös. Doch er war aus hartem Holz geschnitzt, biss die Zähne zusammen und sah Wolf zornig an, wie ein Hund, der seinen Knochen verteidigt.
    Als Erste verlor Pearl die Nerven. »Er soll seine Seele dem Teufel verkauft haben«, flüsterte sie. »Er soll sich an einer Straßenkreuzung mit dem Teufel getroffen und ihm seine Seele für ein Repertoire Klezmerlieder verkauft haben.«
    »Was habe ich Ihnen gesagt?«, triumphierte Goldfaden. »Völliger Blödsinn! So einen Schmus verbreiten die Leute über große Musiker, seit es überhaupt Musik gibt! Wie viele Klezmorim sollen in der Alten Welt mit Zigeunern herumgezogen sein und mit dem Teufel gespielt haben? Und wie oft haben wir von den Bluespianisten unten in New Orleans gehört, die ihre Seele für die Magie ihrer Hände verkauften? Aber dass so etwas in New York geschehen sein soll, ist doch lächerlich. Mal ehrlich, wie viele Straßenkreuzungen gibt es in Manhattan?«
    »Zweitausendvierhundertsiebenundsechzig«, antwortete Wolf wie aus der Pistole geschossen. »Wenn man Five Points und Mulberry Bend hinzuzählt.«
    Goldfaden schauderte, ob wegen der ungeahnt hohen Zahl von Straßenkreuzungen oder wegen der Erwähnung der übelsten Slums in Manhattan vermochte Sascha nicht zu sagen.
    »Ich glaube es immer noch nicht«, behauptete er hartnäckig.
    Wolf wandte sich an Pearl. »Aber Sie glauben es«, sagte er. »Sonst hätten Sie nicht die Inquisitoren gerufen. Und glauben Sie, ich wüsste nicht, wie sehr es den meisten hier widerstrebt, die Polizei zu rufen? Also, warum haben Sie es getan?«
    Pearl sank in sich zusammen. Verzweifelt suchte sie Goldfadens Blick. Doch der drehte sich resolut weg, so als wollte er, nachdem es ihm nicht gelungen war, Pearl vom Reden abzuhalten, keineswegs in diese Angelegenheit weiter hineingezogen werden.
    »Ich habe gehört, wie sie aneinandergeraten sind«, flüsterte sie. »Die beiden hatten einen heftigen Streit, während sich Sam Asher für seinen gestrigen Auftritt zurechtmachte.«
    »Worüber haben sie denn gestritten?«, wollte Wolf wissen.
    »Das weiß ich nicht, ich konnte sie nicht so gut verstehen. Was ich gehört habe, passt nicht recht zusammen. Sam sagte etwas von Pentacle, doch das ist merkwürdig, da Asher schon vor Jahren aufgehört hat, dort zu arbeiten. Asher lachte ihn aus, aber Sam blieb dabei: ›
Asher, belüg mich nicht. Ich weiß, wohin du gehst, ich bin dir heimlich gefolgt.
‹ Darauf ist Asher richtig zornig geworden, aber verstehen konnte ich nichts. Asher schrie nie, er wurde nur bitter und leise. Er konnte mit Flüsterstimme tödliche Beleidigungen aussprechen.« Sie legte die Hände über den Mund und Tränen füllten ihre Augen. »Verzeihung, es ist schrecklich, so über ihn zu reden …«
    »Aber ich bitte Sie«, sagte Wolf mitfühlend. »Sie können doch nichts dafür, dass er so war. Aus den Menschen werden keine Engel, wenn sie umgebracht wurden. Worüber haben die beiden noch gestritten? Sie werden sich erleichtert
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