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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger
Autoren: Monika Feth
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Autobahn oder mitten auf einer einsamen Landstraße hängen lassen. Gut, dass ich ein bisschen Geld zurückgelegt hatte. Wenn ich ein altes Modell fände, das noch ein paar Jahre durchhielte, käme ich wahrscheinlich darum herum, meine Mutter oder meine Großmutter anzupumpen.
    »Den idealen Bewerber gibt es nicht«, beruhigte ich Merle. »Morgen haben wir das Haus. Versprochen.«
    »Wie kannst du da so sicher sein?«
    »Wegen Lukas.«
    »Lukas? Wieso?«
    »Er hat mir zugezwinkert.«
    »Ach?«
    Es wunderte mich ja selbst. Leise fing ich an zu summen, eine kleine Melodie, die mir gerade in den Kopf geweht war.
    »Du bist ja enorm gut gelaunt«, stellte Merle mit einem misstrauischen Seitenblick fest.
    Sie hatte recht. Es erstaunte sogar mich selbst.
     

Kapitel 3
    Bildete ich mir das ein oder klang die Stimme meiner Mutter irgendwie kleiner? Dünn und farblos, als wäre sie über Nacht geschrumpft.
    »Alles okay mit dir?«, fragte ich vorsichtig.
    Ihr Lachen war wie immer, und das erleichterte mich. Meine Mutter war eine starke Frau. Das Bewusstsein ihrer Kraft hatte zu meiner Kindheit gehört wie all die kleinen und großen Rituale, die sie geprägt hatten. Eine Pubertät lang hatte ich mich an der Selbstsicherheit meiner Mutter gerieben. Ich war nicht darauf eingestellt, dass sich das ändern könnte.
    »Mama?«
    »Willst du nicht endlich zur Sache kommen?«, fragte sie zurück.
    Nichts lieber als das. Inzwischen war ich mir sicher, dass ich mich geirrt hatte. Meine Mutter war okay. Am Telefon konnten einem Stimmen schon mal Streiche spielen.
    »Merle und ich möchten dich auf einen Kaffee einladen«, sagte ich.
    »Hast du heute keinen Dienst?«
    »Ich hab frei, weil ich neulich eine Vertretung gemacht habe. Aber das ist nicht der Grund für meinen Anruf. Es gibt Neuigkeiten, die wir dir erzählen möchten.«
    »Nämlich?«
    »Nicht am Telefon, Mama.«
    »Du machst es aber spannend.« Ich hörte ihre leise Ungeduld. »Wie wäre es mit einem kleinen Hinweis?«
    »Keine Chance. Es ist eine Überraschung. Wenn du sofort losfährst, brauchst du nicht so lange herumzurätseln.«
    »Bin schon auf dem Weg.«
    Ein Klicken, und das Gespräch war beendet. Ich sah auf die Uhr. Gerade noch Zeit, ein bisschen Ordnung zu schaffen und die Katzenklos sauber zu machen. Merle hatte ihren berühmten Restekuchen gebacken, der so hieß, weil dafür sämtliche übrig gebliebenen Zutaten zusammengeschüttet wurden, die sich in der Küche fanden. Der Duft ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Eine knappe Stunde später saßen wir um den Küchentisch und meine Mutter schaute uns erwartungsvoll an.
    »Wir haben ein Haus gefunden«, platzte ich heraus, noch bevor wir den ersten Schluck Kaffee getrunken hatten.
    »Einen Bauernhof«, schwärmte Merle mit leuchtenden Augen.
    »Der Mietvertrag ist schon unterschrieben«, sagte ich.
    »Und wir können sofort einziehen«, sagte Merle. »Das Haus steht nämlich leer.«
    »Aber zunächst mal müssen wir jede Menge Arbeit reinstecken«, erklärte ich. »Das Ganze ist ziemlich heruntergekommen.«
    »Macht aber nix.« Merle schaufelte meiner Mutter ein mächtiges Stück Kuchen mit gefühlten viertausend Kalorien auf den Teller. »Wir sind immerhin zu fünft. Das bedeutet zehn Hände, die zupacken können. Wenn Ilka, Mike und Mina erst wieder da sind, werden die Ärmel hochgekrempelt.«
    Im Lächeln meiner Mutter steckten Zweifel. Sie äußerte sie jedoch nicht.
    »Das freut mich für euch«, sagte sie.
    »Wollen Sie es sehen?«
    Merle sprang auf und setzte sich gleich wieder hin. Sie benahm sich seit dem Anruf von Alice Morgenstern wie ein Stehaufmännchen.
    »Unbedingt.«
    Merle verschlang in Rekordzeit zwei Stück Kuchen und wischte sich die Krümel von den Lippen. Auf dem Stuhl zappelnd wie ein Kind, das dringend aufs Klo muss, wartete sie, bis meine Mutter nach der Hälfte ihrer Portion kapitulierte.
    »Der Kuchen ist köstlich, aber mehr schaffe ich einfach nicht.«
    Sämtliche guten Manieren über Bord werfend, schoben Merle und ich unsere Stühle zurück, ohne meiner Mutter eine zweite Tasse Kaffee anzubieten oder sie auch nur ihre erste in Ruhe austrinken zu lassen.
    Während der Fahrt schwieg meine Mutter. Vielleicht hörte sie Merle zu, die enthusiastisch die Vorzüge des Landlebens schilderte. Vielleicht konzentrierte sie sich auf den Verkehr. Aber irgendwie hatte ich den Eindruck, dass sie mit ihren Gedanken woanders war.
    Es war ein gutes Gefühl, in einem Wagen zu fahren, der
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